TddL 2023 Preisvergabe
Die Preisermittlung durch die Jury erfolgte im ORF-Theater, während die Autorinnen und Autoren im Garten auf die Entscheidung warteten. Begleitet wurde die Abstimmung wie seit Jahren von Justitiar Andreas Sourji.

Bachmann-Preis für Text über das Putzen
Die deutsche Autorin Valeria Gordeev beschreibt in ihrem Text die Putzorgie eines Neurotikers – mehr dazu in „Er putzt“. Die Jury lobte nicht nur den Text, sondern auch den Vortrag. So mancher wird nach der Lesung seine Wohnung nicht mehr mit demselben Blick sehen – mehr dazu in Jurydiskussion Valeria Gordeev.

In ihrer Laudatio sagte Insa Wilke, es sei ein Plädoyer, wenn es um Empfindlichkeit gehe. Ein Text, der Belastung begegne und sich weite, ohne beliebig zu sein: Die Autorin habe Humor und liebe, was sie tue. Aber sie wisse um ethischen Grenzen. Sie lasse ihren Text sprechen, er vermittle, was Oberflächenspannung bedeute. Gordeev zeige einen möglichen Weg aus der Gleichgültigkeit, so Insa Wilke. Gordeev sagte, der Text sei als Teil eines Romans gedacht.

Eltern wanderten aus Sowjetunion aus
Gordeev studierte Mathematik und Illustration in Berlin sowie Literarisches Schreiben in Leipzig. Derzeit schreibt sie an ihrem Debütroman, der sich unter anderem mit dem Russland der Gegenwart auseinandersetzt. Ihre Eltern waren Ende der 1970er-Jahre aus der Sowjetunion ausgewandert, ihre Familie lebt heute in Deutschland, der Ukraine, Russland und den USA. Das Schreiben ist nicht ihr einziges Betätigungsfeld: In Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern sowie Filmemacherinnen und Filmemachern wirkte sie als Liedtexterin, Darstellerin und Gestalterin mit. Zeichnungen sind im Guggolz-Verlag erschienen, dort übernimmt sie öfters Cover-Illustrationen.
3sat-Preis an Laura Leupi
Der 3sat Preis, dotiert mit mit 7.500 Euro, geht an Laura Leupi, nominiert von Thomas Strässle. Leupi las den Text „Das Alphabet der sexualisierten Gewalt“. Strässle sagte in seiner Laudatio, Leupi habe Jury und Publikum mit Text und Performance gleichermaßen begeistert. Schonungslos, mutig und klug habe Leupi ein brennendes Thema aufgegriffen. Ein Versuch, ein großes Schweigen in tosender Stille hörbar zu machen. Es sei das Gegenteil einer Storyline. Leupi zerdrückte aus Freude ein paar Tränen.

Die Preisübergabe erfolgte durch ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard. Laura Leupi sagte, während der Jurydiskussion habe sie mitgeschrieben wie bei einem Seminar. Das habe ihr geholfen, eine Art Distanz herzustellen.
KELAG-Preis an Martin Piekar
Der KELAG-Preis 2023, dotiert mit 10.000 Euro, geht an den deutsch-polnischen Autor Martin Piekar. Klaus Kastberger hatte den Text „Mit Wänden sprechen/Pole sind schwierige Volk“ nach Klagenfurt eingeladen und hielt die Laudatio. Er sagte, er freue sich schon auf den größeren Text, für den sich bestimmt ein Verlag finden werde. Der Preis wurde von KELAG-Vorstand Reinhard Draxler vergeben.

Martin Piekar sagte es sei noch eine Art Taubheit, er sei glücklich, hier gewesen zu sein.
Deutschlandfunkpreis an Anna Felnhofer
Der mit 12.500 Euro dotierte Deutschlandfunkpreis geht an die Österreicherin Anna Felnhofer. Sie las auf Einladung von Brigitte Schwens-Harrant den Text „Fische fangen“.

Die Laudatio hielt Brigitte Schwens-Harrant. Sie sagte, Tatort Schulhof, ein Junge, der keine Gesichter erkennen könne, werde Gewalt angetan. Sie schildere Facetten seines Lebens, die Suche nach Zugehörigkeit. Sie seziere erzählend den alten Mechanismus von Gewalt und Opferwerdung. Felnhofer zeige, dass Sprache Mechanismus von Gewalt aufzeigen könne. „Was für eine Text“. Stefan Raue, der Intendant des Deutschlandfunks, übergab den Preis an eine in Tränen aufgelöste Anna Felnhofer. Sie seit total überwältigt, das Aufgekratztsein der letzten Tag halte noch an.

BKS Bank Publikumspreis an Martin Piekar
Martin Piekar bekam noch einen zweiten Preis, nämlich den Publikumspreis, der mit 7.000 Euro dotiert ist. Damit verbunden auch das Stadtschreiberstipendium im Wert von 6.000 Euro in Klagenfurt. BKS Bank Vorständin Herta Stockbauer übergab den Preis.
Damit eine Stimme als gültig gezählt wird, musste eine kurze Begründung für die Wahl eingegeben werden. Hier eine Auswahl der Publikumsmeinung:
„Ich mag es, wie aus der Enge des Flures sich der ganze Kosmos entwickelt und wie die Figuren gezeichnet sind."
„Was ein emotionaler Vortrag“
„Gute Vorleserperformance! Dichtung und Schauspiel vereint“
„Ein Text, der die Identitätsfindung in der Migration eindrucksvoll aufzeigt.“
„Eindringlich, vielstimmig, ungezähmt, liebevoll“
„Mutter- Sohn- Beziehung in ihrem Wandel, ihrer Unsicherheit, erst nach den Abschied am Ziel“
„Er hat eine faszinierende Art zu schreiben“
„Anrührend und rabiat.“
„Ehrliche, offene Darstellung der Mutter und über das Zusammenleben. Prägnant formuliert“
„Die Sprachbilder und die genaue Beobachtung fand ich äußerst lesenswert“
„Ein sehr beeindruckender Text, den Martin sehr berührend vorgetragen hat“
„Seine Geschichte hat mein Herz berührt und mich an früher erinnert“
„Sympathischster Autor, bei dem Text und Performance gleichermaßen gekonnt rübergekommen sind“
„Brutal schön!“
„Großartiger, klarer Text über eine Mutter Sohn Beziehung. Sehr schön wird einerseits die Schwierigkeit der Beziehung vorgeführt und andererseits liegt über allem Rücksichtnahme und Toleranz.
„Sein Text hat mich sofort ergriffen“
„Gut vorgetragen, tolle slawische Literatur“
„Beeindruckte Performance! Aber vor allem eine erschreckend detailgetreue Imitation des polnischen Dialekts“
„Geilster Text“
„War einfach saugeil“
„Bester Text. Bester Vortrag.“
Die besten Bilder der Preisverleihung
Änderung im Abstimmungsprozedere
Es gab 2023 eine Änderung der Ermittlung: Jedes Jurymitglied vergab per Tablet 5 Punkte bis 1 Punkt, ausgenommen ihre eigenen Kandidaten und Kandidatinnen. Das Abstimmungsergebnis wurde addiert. Jener Autor/jene Autorin mit der höchsten Punkteanzahl erhielt den Ingeborg-Bachmann-Preis. Analog zu den Punktemehrheiten wurden die Preise zuerkannt. Einzige Ausnahme ist der BKS-Bank-Publikumspreis, der immer mit einer Online-Abstimmung ermittelt wird. Diese Abstimmung ging am Samstagnachmittag über die Bühne.

Die Preise wurden, beginnend mit der geringsten Dotation, vergeben. Bei Punktegleichständen bei zwei der mehr Kandidatinnen und Kandidaten, ist eine Stichwahl vorgesehen, möglicherweise mit mehreren Wahlgängen, notwendig. Jenem Autor/jener Autorin, der/die mit einer absoluten Mehrheit aus einer Stichwahl hervorgeht, wird der entsprechende Preis zuerkannt. Bei einer Stichwahl dürfen die Jurymitglieder für die von ihnen eingeladenen Autoren und Autorinnen stimmen.
So stimmten die Jurymitglieder
Klaus Kastberger
Valeria Gordeev 5
Mario Wurmitzer 4
Anna Felnhofer 3
Jacinta Nandi 2
Yeygeniy Breyger 1
Mara Delius
Anna Felnhofer 5
Mario Wurmitzer 4
Yevgeniy Breyger 3
Valeria Gordeev 2
Jayrome Robinet 1
Mithu Sanyal
Deniz Utlu 5
Martin Piekar 4
Yevgeniy Breyger 3
Laura Leupi 2
Anna Felnhofer 1
Insa Wilke
Martin Piekar 5
Laura Leupi 4
Jayrome Robinet 3
Andreas Stichmann 2
Jacinta Nandi 1
Thomas Strässle
Valeria Gordeev 5
Anna Felnhofer 4
Jayrome Robinet 3
Mario Wurmitzer 2
Yevgeniy Breyger 1
Brigitte Schwens-Harrant
Laura Leupi 5
Jacinta Nandi 4
Valeria Gordeev 3
Yevgeniy Breyger 2
Martin Piekar 1
Philipp Tingler
Anna Felnhofer 5
Valeria Gordeev 4
Andreas Stichmann 3
Jayrome Robinet 2
Martin Piekar 1