Jayrome C Robinet
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Jurydiskussion Jayrome C. Robinet, F/D

Jayrome C. Robinet liest auf Einladung von Mithu Sanyal den Romanauszug „Sonne in Scherben“. Eine Familiengeschichte und eine Transformation einer jungen Frau zu einem Transmann.

Mara Delius meldet sich zuerst zu Wort. „Für mich hat der Text durch Ihre Lesung gewonnen, durch Ihre Lese-Performance“, sagte sie in Richtung des Verfassers. Der Text erzähle von einer Person, die von einem Mädchen zum Mann werde. Die existentiellen Momente würden allerdings gar nicht auserzählt werden. Umso dankbarer sei sie für die dynamische Performance gewesen. Der Text sei an vielen Stellen gelungen, es sei aber gar nicht deutlich geworden, wie sich der Ich-Erzähler in seinem neuen Ich verändere.

Klaus Kastberger, Mara Delius
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Mara Delius

Strässle: „Schon bei Lektüre begeistert“

Neo-Juror Thomas Strässle sagte, er sei bereits bei der Lektüre begeistert gewesen: „Ich war geradezu hingerissen“. Die Atmosphäre in der Familie sei in der Erzählung zunächst durchaus humorvoll geschildert worden. „Alles wunderbar“, sagte Strässle. Das erzählerische Potenzial mache sich auch am Ende des Textes bemerkbar. Umso bedauerlicher sei es, dass es auf Seite vier einen kleinen Bruch im Text gebe. Dabei werde das Erzählen verändert. Es wirke „wie Auszüge aus einem Roman“ und die Erzählung beginne zu springen. Es gebe „lose Enden“. Das lasse darauf schließen, „dass im Hintergrund noch sehr viel erzählerisches Potenzial da wäre“, so Strässle.

Insa Wilke Thomas Strässle
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Thomas Strässle

Insa Wilke: Mehrmals gelacht

Juryvorsitzende Insa Wilke meinte, sie habe beim Zuhören mehrmals gelacht. Sie habe sich jedoch beim Text gefragt, was denn die Haltung sei. Der Text traue seinem Publikum viel zu. Einzelne Sätze hätten sie irritiert. Sie habe den Eindruck, dass es neben der Inhaltsebene noch eine andere Erzählebene gebe. Es seien aber auch viele elegante Stilmittel angewendet worden. Etwa „das Auflösen in der Sauna“ – wie eine liebende Verschmelzung – und dann gehe es um den Menschen, der sich auflöse. „Ich finde gerade das Spielerische als etwas Befreiendes“, so Wilke.

Mithu Sanyal spricht in ihrem einleitenden Statement von einer „Erleichterung für das Publikum“. In dem Text gebe es die große Zärtlichkeit neben dem großen Schmerz. „Ich brauchte diese Momente“, so Sanyal.

Tingler gratulierte zum Vortrag

Philipp Tingler sagte, er wolle „Herrn Robinet zunächst zu seinem Vortrag gratulieren“. Insbesondere zu seiner selbstironischen Distanz, die sich im Text bemerkbar mache. So sei es „sehr interessant gewesen“, dass Gott im Text als „guter Verlierer“ dargestellt werde. Allerdings hätte die wichtige Figur der Angele „etwas plastischer“ gestaltet werden müssen. „Ich weiß, es ist ein Auszug, aber ich beurteile jeden Text so, wie er vor mir liegt“, so Tingler. Die innere Handlung sei ihm oftmals „zu konventionell“ vorgekommen.

Klaus Kastberger und Mara Delius
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Klaus Kastberger

Klaus Kastberger wartete auf etwas „Fetziges“

Klaus Kastberger begann seine Analyse mit großem Lob für den Vortragenden: „Ich muss sagen: Das Package hier war perfekt. Es hätte nicht perfekter sein können.“ Ein guter Text solle verblüffen, in die Tiefe gehen und er solle die Welt heilen. Der vorgetragene Text hätte sich fast in allen Unterkategorien zwölf Punkte verdient. Allerdings würden sich auch Widersprüche auftun. Ihm sei aber der Vortrag Robinet zu langsam vorgekommen, er sei ein ungeduldiger Mensch. „Es war mir fast zu viel Dramaturgie.“ Das sei für ihn kaum auszuhalten gewesen. Er habe beim Vortrag darauf gehofft, dass „es vielleicht einmal fetzt“. Das sei nicht gesehen.

Brigitte Schwens-Harrant zollte zunächst ihren Respekt für den Autor. Dieser habe am Donnerstagvormittag für einen guten Beginn des Bewerbes gesorgt. Das Sprachspiel mit „Mozarella“ und „Mozartella“ sei am Anfang der Erzählung sehr gelungen. Die Geschichte des Selbst-Vater-Werdens sei allerdings sprachlich nur wenig erzählt worden. Es gebe sprachliche Brüche im Text. Sie wolle den Autor ermutigen, noch viel mehr zu probieren.

Sanyal: Habe viel geweint

Mithu Sanyal meldete sich wieder zu Wort. Sie wolle sich bei der Maske entschuldigen, denn sie habe während des Zuhörens „viel geweint“. Der Text sei direkt unter die Haut gegangen. Sie habe sehr wohl eine Gemeinsamkeit in der Erzählung wahrgenommen. Den Text zeichne eine „besondere Authentizität“ aus.

Mithu Sanyal
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Mithu Sanyal

Philipp Tingler warf ein, dass die Liebesbeziehung, die zur Schwangerschaft geführt habe, nicht erzählt werde. Mithu Sanyal stimmte Tingler zu: „Ich gebe dir recht. Ich würde gerne mehr von dieser Liebe erfahren.“

Klaus Kastberger hob einen Satz aus dem Text hervor: „Himalaya, die Jury, pure Lawine!“ Das sei vielleicht der beste Satz des gesamten Bewerbes. Das würde er, Kastenberger, der Jury wünschen. Gelächter im Publikum.

„Weicht vom Gewohnten ab“

Insa Wilke erinnerte an einen Satz von Ingeborg Bachmann: „Ein Ich ohne Gewähr“. Gemeint sei damit nicht das schießende Gewehr, wie Wilke ergänzte. Man werde sich im Laufe des Bewerbes damit auseinandersetzen müssen, was in der Ich-Erzählung enthalten sei. Der vorliegende Text weiche jedenfalls davon ab, wie man es gewohnt sei, Texte zu lesen. Es gehe „natürlich um die Sprache“, doch sei es absurd, in der Analyse nicht die Emotionalität einzubeziehen.

Philipp Tingler sagte, das Problem sei, dass sich der Text manchmal nicht der Welt nähere. So habe der Text „starke Variationen in der literarischen Qualität“. Mithu Sanyal entgegnete, dass alles drinnen stehe. Tingler darauf: „Es steht sehr viel drinnen, aber nicht alles“. Es wäre besser gewesen, „das alles zu konzentrieren“.

Insa Wilke und Thomas Strässle
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Insa Wilke

Wilke: Männerbild verändert sich

Insa Wilke meldete sich zuletzt wieder zu Wort. Die Vaterfigur zeige, dass der Text „sehr ambivalent“ aufgebaut sei. Das Männerbild verändere sich im Laufe des Textes. Das Politische sei sehr präsent, nicht verharmlosend. Zugleich werde aufgezeigt, wie man damit umgehen könne.

Moderator Peter Fässlacher fasst die Diskussion kurz zusammen. Der Text sei „ein perfektes Paket, andererseits zu wenig konventionell.“ Jayrome C. Robinet wurde am Ende gefragt, ob er noch etwas sagen wollte. Er hatte nur noch eines zu sagen: „Danke.“