Mario Wurmitzer
ORF/Johannes Puch
ORF/Johannes Puch

TEXT Mario Wurmitzer, A

Mario Wurmitzer liest auf Einladung von Philipp Tingler den Text „Das Tiny House ist abgebrannt“. Sie finden hier einen Auszug und als Verlinkung den gesamten Text als .pdf. Der Download und die Nutzung der Texte darf lediglich zu Privatzwecken erfolgen.

Ich habe die Stellenausschreibung auf willhaben entdeckt und mir gedacht, na ja, könnte besser sein als Essen auszuliefern oder in einem Versandlager Pakete zu sortieren. Meine Aufgabe ist es, zu vermitteln, dass es einem an nichts fehlt. Ich bin hier, damit man sich vorstellen kann, wie es ist, in einem Haus wie diesem zu leben. Auf der Website von Modern Home kann man mich beobachten. Aber ich kümmere mich kaum darum. Ich lebe einfach so vor mich hin.
Man hat mich angewiesen, nicht direkt in die Kameras an den Wänden zu blicken. Das könnte als irritierend empfunden werden. Potenzielle Kunden wollen nicht von mir angestarrt werden.
Die Einrichtung ist minimalistisch. Beim Bewerbungsgespräch habe ich gesagt, sie gefiele mir. Es ist kein Kindheitswunsch von mir gewesen, ein Tiny House, das sich am Rande einer Musterhaussiedlung befindet, zu bewohnen. Aber es ist in Ordnung. Im Rahmen des Home Staging ist die Idee aufgekommen, das Haus zu beleben.

Die Zeit, die ich in diesem Haus verbringe, betrachte ich als Projekt, so wie ich alles, was ich jemals getan habe und tun werde, als Projekt sehe. Ich sitze am Schreibtisch, schreibe an einem Buch über Rainald Goetz, der später noch vorbeikommen wird, und zur Abwechslung an Texten wie diesem, während Interessenten hinter mir stehen und mich beobachten. Es fällt mir nicht schwer, mich zu konzentrieren. Die Kunden kümmern mich nicht. Die Interessenten fragen mich, was ich schreibe. Ich zeige auf das Schild, das über dem Schreibtisch hängt. Dort steht, es gehöre nicht zu meinem Aufgabenbereich, Auskünfte zu erteilen. Dafür sind die Kundenberaterinnen zuständig, deren Büro-Container sich gleich neben dem Tiny House befindet.

Noch vor ein paar Monaten fiel es mir schwer, nicht mit den Interessenten zu sprechen. Ich hatte das Bedürfnis, mich mit ihnen auszutauschen. Dieser Wunsch ist fast restlos verschwunden. Nur sehr selten will ich auf eine Frage noch eine Antwort geben. Aber ich bin nicht wie die. Ich interessiere mich nicht für Adaptierungen des Grundrisses, für Raumgrößen und Küchenausstattungen. Ich bin hier, weil ich bezahlt werde. Außerdem habe ich die Möglichkeit, zu schreiben. Manchmal frage ich mich schon: Was bringt das?

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