Martin Piekar
ORF/Johannes Puch
ORF/Johannes Puch

TEXT Martin Piekar, D/PL

Martin Piekar liest auf Einladung von Klaus Kastberger den Text „Mit Wänden sprechen/Pole sind schwierige Volk“. Sie finden hier einen Auszug und als Verlinkung den gesamten Text als .pdf. Der Download und die Nutzung der Texte darf lediglich zu Privatzwecken erfolgen.

Der Flur in einem Elter-Kind-Wohnraum mit zweieinhalb Zimmern kann zwei Zustände annehmen. Entweder sind beide Zimmer still, dann schreit der Flur nach Aufmerksamkeit, oder die Laute beider Zimmer prallen aufeinander und bilden in ihm einen unebenen Teppich aus unkonkreten Tönen. Im Flur trifft Dreck von draußen auf hauseigenen Staub und Nebengeräusche – im Flur sind alles Nebengeräusche.
Der Flur: ein poröser Raum – und wir lebten das Leben der offenen Türen. So ein Durchgang sauft alles auf und behält es für sich, ganz anstößig. So ein Flur, der aller Zimmer der Wohnung verbindet, ein Panoptikum. Zu dem Zeitpunkt dachte ich nicht darüber nach, warum meine Mutter die Türe nie schloss, es war dem Teenager-ich auch einfach egal.
In unserem Flur war eine Mischung aus Gerichtsshows und NuMetal zu hören. Diese Musik half mir sehr in meinen Teenagerjahren. Sie war per se unkonventionell, die Vereinigung anderer Musikrichtungen mit Metal. Das war häufig Hip Hop. Nun waren die Hip Hop- und die Metal-Szene bei Teens an meiner Schule verfeindet. Die Szenen an meiner Schule hassten sich, von wenigen Schülern abgesehen. (Waren sie fauler, klüger oder gleichgültiger?)
Jedenfalls waren sich beide Parteien einig. Es ging darum mit der Musik die Erwachsenen anzupissen. Und das gelang: , kommentierte Mama die Musik aus meinem Zimmer einmal.

Pflegetipp
Als Teenager dachte ich, Unkonventionalität rührt von der Loslösung jeder Tradition her. Später lernte ich, dass Unkonventionalität in die Tradition verstrickt ist – immer.
Das Ertasten und Überschreiten von Grenzen ist und bleibt wichtig. Gerade für Teenager. Ruhig bleiben, Raum lassen, da sein.

Meine Mutter und ich liefen uns im Flur über den Weg. In der Küche jedoch trafen wir uns. Dort kochten wir – getrennt häufiger als zusammen – und stritten über Kunst, Kommunismus und ganz persönliche Lösungen der Weltprobleme.

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