Jasmin Ramadan
ZDF/SRF/ORF/3sat
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Jurydiskussion Jasmin Ramadan

Jasmin Ramadan las auf Einladung von Philipp Tingler einen Auszug aus dem Roman „Ü“. Ein Text über Gewalt in Beziehungen, der die Jury zu Wortgefechten animierte.

Ramadan las mit „Ü“ im ersten Teil „Palisander“ einen Text über einen Mann, den Werbefilmregisseur Ben und seine Beziehungen zu Frauen, die er schlecht behandelt und dazu bringt, ihn zu verlassen. Im zweiten Teil ging es in „Der Fahrgastwunsch“ um Marlene, die in einer Beziehung mit ihrem konformen Linus lebt. Sie hatte vor Jahren eine Verbindung zu Ben, was die Verbindungen in den Texten darstellt. Es endete in einem Bus mit einer Frau namens Liese, die eine Phobie hat.

Tingler sprang in die Bresche

Philipp Tingler machen den Anfang mit einer Bemerkung über das digitale Setting: Am Monitor sehe man auf einen Blick alle Juroren und ihre Reaktionen, das finde er „sehr interessant“. Der erste Platz sei ein undankbarer Platz, sagen manche, doch es war ein „famoser Beitrag“. „Ich kriege sehr oft Manuskripte mit dem Hinweis, das sei die Stimme einer Generation, das ist aber selten der Fall.

  Jasmin Ramadan
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"Hier finde ich, dass der mentale Zustand einer bestimmten Kohorte beschrieben wird. Das sind Menschen, die analog sozialisiert sind und zwischen Selbstdarstellung und dumpfer Wut stecken bleiben.“ Die Konstruktion finde er großartig, es sei ein Ballett, das den Geist der Zeit zeige. Hier herrsche ein Ton von Eleganz, der mit wenigen Worten Personen erfasse.

Kastberger dachte an Ü-Eier

Insa Wilke sagte, sie habe den Text zuerst als Psychogramm einer Generation gelesen, aber dann festgestellt, der Text sei übersichtlich, weil er ein übersichtliches Leben beschreibe. Den Titel „Ü“ könne man auf verschiedene Art deuten, auch als Smiley. Das Thema seien domestizierte Wünsche, die Ordnungswut, die sich in Panik ausdrücken könne.

Klaus Kastberger antwortete, er sehe verschiedene Konstellationen. Wenn man sage, sie sei einfach, müsse man berücksichtigen, dass es nicht nur um eine Konstellation gehe. „Was ist einfach daran?“ Er habe das Ü anders gelesen, bei Ü denke man an Überraschungseier in Österreich, das sei seine Assoziation gewesen. „Ich fand auch interessant, wie beide Geschichte aufeinander bezogen sind, ich finde es aber nicht großartig, wie das passiert ist. Ich finde das teilweise simpel und mechanistisch.“

Tingler konterte, das Leben sei manchmal simpel. Kastberger sagte, der Text sei simpel, wie er das komplexe Leben darstelle. „Ich habe ein anderes Problem mit dem Text, in seiner Langsamkeit passt er in die Romanform. Für den Rahmen einer 30-Minuten-Lesung ist er zu klein, mir geht das zu langsam, er hätte mehr Speed gebraucht.“

Winkels: „Wenig durchdacht“

Hubert Winkels meinte „Das alles ist wenig durchdacht“. Man erfahre im ersten Teil die Perspektive von Ben, der sich selbst beschreibt. Man lese die ganze Zeit Aussagen von Ben über sich selber, die aber eine Selbstvernichtung seien. „Der Text ist grotesk falsch, das liegt an der Konstruktion“, sagte Winkels in Richtung Tingler, der den Text seiner Autorin vehement verteidigte.

Michael Wiederstein meinte, er glaube auch, dass die Montage, die Tingler so schön finde, auf der Kurstrecke nicht funktioniere. Wenn man einen 900-Seiten-Roman daraus mache, funktioniere das. Doch hier seien die Charaktere zu übersteigert, man komme nicht in den Text hinein, wenn man die beiden Männerfiguren anschaue. Der Text beschreibe aber gar nicht zwingend eine Generation, sondern die Probleme eines Milieus – „noch mehr Hamburger Vorstadt geht gar nicht“.

Wilke: „Will Tingler wütend machen“

Nora Gomringer sagte, der Text werde schematisiert erzählt, sie finde ihn doch interessant ob der domestizierten Wünsche und des großen Themas der 40-Jährigen. Der Schluss sei gut mit der Figur der Liese und dem magischen Denken mit den zwei Frauen als Fahrgästen.

Insa Wilke meinte, ihr Ziel sei es, „Philipp Tingler wütend zu machen“. Leider lese er den Text in Bezug auf Frauen völlig falsch, Ben sei kein Retter der Frauen. Hubert Winkels fand den Text misslungen.

Autorin Ramadan hatte das Schlusswort und sagte, sie habe sich beim Schreiben amüsiert, es seit tatsächlich ein Romananfang.