Andreas Stichmann
ORF/Johannes Puch
ORF/Johannes Puch

TEXT Andreas Stichmann, D

Andreas Stichmann liest auf Einladung von Maria Delius den Text „Verwechslungen“. Sie finden hier einen Auszug und als Verlinkung den gesamten Text als .pdf. Der Download und die Nutzung der Texte darf lediglich zu Privatzwecken erfolgen.

Weil mein alter Bekannter Alexander Germ früher ein ziemlicher Schläger gewesen war, machte es mir Sorgen, dass er nun Verantwortung für kranke Kinder übernommen hatte. Dennoch freute ich mich, zu hören, dass er drüben in Haus unserer Allergieklinik als Pfleger eingestellt worden war. Ich selbst befand mich aufgrund einer atypisch verlaufenden Nesselsucht – um die es hier nicht gehen soll – bereits zum dritten Mal stationär in Behandlung. Die Therapien schlugen nur mäßig an, es zog sich hin, daher gefiel mir der Gedanke, einen Bekannten aus einem anderen, früheren Leben, einem Leben vor der Nesselsucht wiederzutreffen.

Auf meinem Weg durch den Park fiel mir eine Angewohnheit Germs wieder ein. Wir kannten uns aus Studententagen. Zur Verabschiedung hatte er stets: Bis später gesagt. Obwohl wir uns allenfalls wöchentlich in den Bonner Altstadtkneipen gesehen hatten. Er hatte mit seinem ewigen Bis später – ob Absicht oder nicht – ein Bild des Lebens als einem durchgehenden Zeitflur in mein Herz gepresst. Bis später — obwohl Nächte dazwischenlagen! Als gäbe es keine Pausen! Diese Vorstellung hatte mich damals sehr bedrückt.

Auf Germs Station schickte mich eine Schwester einen Flur hinunter. Ich trat auf einen Raucherbalkon hinaus. Und wer stand da? Überraschend alt geworden? Wer hatte sich von einem schlitzohrigen Frauentypen in einen molligen Pfleger verwandelt? Ihr wisst es. Es war mein alter Bekannter Alexander Germ.

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