Anna Felnhofer
ORF/Johannes Puch
ORF/Johannes Puch

TEXT Anna Felnhofer, A

Anna Felnhofer liest auf Einladung von Brigitte Schwens-Harrant den Text „Fische fangen“. Sie finden hier einen Auszug und als Verlinkung den gesamten Text als .pdf. Der Download und die Nutzung der Texte darf lediglich zu Privatzwecken erfolgen.

Man muss ihn, das weiß er, prügeln, muss ihn so weit in den Schmerz hineinprügeln, so fest auf ihn eindreschen, so lange alles Weiche, Warme aus ihm herausdreschen, bis man an das herankommt, was seine Mitte stellt; ein siebzehn Jahre lang gehämmerter Klumpen ist sie, eine kalte Lanze jetzt. Womit er nicht gerechnet hat, das ist der Zug am Hosenbund. Einer zieht, der andere zerrt, ein Dritter dreht ihn bäuchlings in den Dreck. Und während die Einzelheiten einer ansonsten trivialen Umgebung – da ist die Rückfront der Schule, da der Hinterhof, dort die Container, der Efeu, das Depot, alles bekannt – während also die einzelnen Bestandteile dieser Kulisse Schlag auf Schlag hinter dem sechshändigen Angriff zurücktreten, bleibt ihm nur, zuzusehen. Keine Hoffnung auf Bewusstlosigkeit, ja nicht einmal darauf, dass man doch noch versuchen könnte, ihn dorthin zu befördern.

Man hält ihn, so scheint es, mit Absicht wach.

Ein von Wind und Wetter geschliffener Tag ist es, schiefergrau, mit springenden Schatten und spiegelnden Straßen. Dazu der unerbittliche Regen, kurze, kalte Schläge gegen die Haut, aber das gibt nicht den Ausschlag, der Schmerz wächst anderswo. Wieder war es rammelvoll gewesen auf dem Platz vor der Schule, wieder waren da die vielen glatten Gesichter gewesen, die meisten schon halb auf dem Sprung, und wieder war da die dauernde Angst gewesen, dass unter den vielen, den viel zu vielen Unbestimmten, drei Bestimmte auf ihn lauern könnten. Über die Köpfe tastete ein vergeudeter Blick, und sein Hirn machte, was jedes Hirn in so einer Situation macht. Eilig rechnete es, was es für das Wichtigste hielt, aus dem Anblick heraus, kalkulierte, klassifizierte, kombinierte es zuerst in der einen, dann in einer anderen Weise, um sich dann doch einigermaßen resigniert zwischen Mund, Nase und Augen einzupendeln; zwischen diesen drei Punkten, die sich ihm, was er auch anstellte, nie zu etwas anderem verbinden wollten als zu der banalsten aller trigonometrischen Figuren. Trotz seiner siebzehn Jahre und trotz des Vorrats an Erfahrung konnte er an diesem Nachmittag nur wiederholen, was er längst wusste und was ein anderer irgendwann über seinesgleichen geschrieben hatte, es war die alte Geschichte: Es empört sich ein Fisch, der gefangen werden will, über die Unzuverlässigkeit der Netze.

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