Andreas Moster
Teja Sauer
Teja Sauer

TEXT Andreas Moster, D

Andreas Moster liest auf Einladung von Vea Kaiser den Text „Der Silberriese“. Sie finden hier einen Auszug und als Verlinkung den gesamten Text als .pdf.

Auf dem Parkett trocknete die Milch an.
Nach einem halben Jahr ging immer noch regelmäßig etwas daneben, flog die Flasche im hohen Bogen, presste Jelly die Lippen zusammen, bog sich abrupt nach hinten. Wenigstens trank sie inzwischen die Milch, die Patrik ihr machte. Ein anderes Trinken als aus Karas Brust, unruhiger und weniger selbstvergessen, eine vom Körper und seinen Bedürfnissen erzwungene Notwendigkeit, die mit dem schwebenden Zustand ihrer ersten Lebenswochen wenig gemeinsam hatte. Sie setzte ab, setzte an, schüttelte sich, quäkte und jammerte, spuckte die Milch aus, trank für ein paar Sekunden so gierig, dass sie sich verschluckte, spuckte wieder, hustete, trank weiter. Die Mahlzeiten bedeuteten Stress, hatten nichts Verbindendes. Patrik spürte die Entfremdung im Anschluss, wie wütend sie aufeinander waren, als hätten sie sich gegenseitig etwas angetan, eine halbe Stunde, in der er Trost und Mitgefühl nur simulierte, sich zur Zärtlichkeit zwang und Jelly kaum berührte, während er mit der Hand über ihren Kopf strich. Danach schämte er sich. Zum Ausgleich drückte er sie umso fester an sich, schlief mit ihr ein und erwachte von ihrem Gesicht, das sich an seiner Schulter rieb, unsicher, ob sie ihm verziehen hatte. Zum Glück war Jelly nicht nachtragend. Nichts von dem, was er ihr zumutete, hätte er tun können, wäre sie nachtragend gewesen, die endlosen Stunden im Maxicosi neben dem Wurfring, wo sie während seines Trainings in den Himmel starrte, die Stunden im Kraftraum, Massage, Physiotherapie, Jelly in einer Ecke des engen Raums, während Tom, sein Physio, ihn von oben bis unten durcharbeitete.
Die Entscheidung, es zu versuchen, war in der dritten Nacht nach Karas Verschwinden gefallen. Am nächsten Tag war er mit Jelly zum Training gefahren, in einer zusätzlichen Tasche die Dinge, die er für sie brauchte: Wasserkocher, Milchpulver, Flasche, Windeln, Feuchttücher, Wickelunterlage, Wechselklamotten.

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