Lesung Egon Christian Leitner
WDW Film
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TEXT Egon Christian Leitner, A

Egon Christian Leitner liest auf Einladung von Klaus Kastberger den Text „Immer im Krieg“. Sie finden hier einen Auszug und einen Link zum gesamten Text als .pdf.

Tag, Monat, Jahr

Je dümmer ein Mensch ist, umso weniger bringt er. Bei uns da hier wird der wirtschaftliche Lebensertrag, Arbeitslebensertrag, eines Menschen mit einer Million Euro angesetzt von den Ökonomen. Ein IQ-Punkt weniger da hier entspricht 2% weniger Ertrag durch diesen Menschen. 1% von 100 ist 1, also ein IQ-Punkt eben, und 1% von einer Million sind 10.000 €, 2 % sind 20.000. Ich kann das nicht einfach so schnell ausrechnen, wie im Gegenteil jetzt der da hier ist. Der bekommt jedenfalls für eine halbe Stunde seiner Lebenszeit jetzt da hier 30.000 Euro. Ein Seminar für Führungskräfte ist das, sowohl aus der öffentlichen Verwaltung als auch aus der Privatwirtschaft kommen die. Kann vielleicht sein, dass er heute weniger bekommt, weil eben viel mehr aus der öffentlichen Verwaltung da sind als aus der Privatwirtschaft und eben am Anfang noch ein paar interessierte kurze unwichtige nicht zahlende Personen im Publikum, die, ich eben auch, nach ein paar Minuten gleich wieder gehen müssen. Sein üblicher Tarif ist jedenfalls 60.000 die Stunde. Warum sollte der Tarif heute wirklich anders sein? Der IQ ändert sich ja nicht. Der Intelligenztest vor kurzem z.B., von dem ich Kenntnis habe: Das Kind war, kommt welchen vor, falsch kategorisiert worden. Die angebliche Behinderung, der Schwachsinn, war weiterzugeteilt und fortabnotiert worden von Behörde zu Behörde im Aktenlauf. Das Kind ist jetzt erwachsen, war aber eben, meinen jetzt eben welche, immer an den falschen Schulen. Im falschen System eben. Man testete jetzt daher von neuem seine Intelligenz, um Schadensansprüche zu prüfen. Sagte, die Intelligenz ändere sich ja nie. Wenn also der junge Mann jetzt nicht schwachsinnig sei, könne er es auch dazumal nicht gewesen sein. Dass sich die Intelligenz ändere, sei einfach wirklich ausgeschlossen. Das sei Expertenkonsens. Die das sagten, meinen es gut mit dem jungen Mann, 20 ist der, und die Testerin ist eine Frau. Die sagt, ihr Test jetzt sei garantiert fair und objektiv, um ja den sprachlich-kulturellen Handicaps und Verzerrungen entgegenzuwirken, zumal die Eltern ja von unten und draußen kamen. Der junge Mann freilich redet ja so gut und so gern und ist immer freundlich und fröhlich und hellwach. Das nützte ihm jetzt aber nichts bei dem Test. Er ist auch jetzt erwiesenermaßen dumm, schwachsinnig halt, wie dazumal eh und je. Imbezil, debil, so irgendwas dazwischen. Und dass er jetzt aber so stabil ist und sozial, spreche für das System von Schulen, Einrichtungen und Werkstätten, die er falloptimal durchwandert hat. Ihm sei offensichtlich bestmöglich geholfen worden und das Leben stehe ihm daher jetzt offen. Und der merkt das aber nicht. Er ist jetzt auch nicht mehr so ruhig und glücklich wie vor dem Test, sondern plötzlich weiß er nimmer, was aus ihm wird. So ist das jetzt und der. Arbeit sucht er halt und freundliche Menschen. Der da hier jedenfalls bekommt 30.000 für eine halbe Stunde Arbeit. Und ich kann nicht ausrechnen, wie intelligent der also sein muss. Geniere mich daher sehr. Ah ja, doch, doch, eh ganz einfach, 30.000 sind 1,5 IQ-Punkte. Der muss also einen IQ von mindestens über ein paar Millionen haben.