TEXT Julia Jost, A

Julia Jost liest auf Einladung von Klaus Kastberger den Text „Unweit vom Schakaltal“. Sie finden hier einen Auszug des Textes und den gesamten Text zum Nachlesen im .pdf-Format.

Unweit vom Schakaltal drunten, das nicht von Anfang an das Schakaltal gewesen war, sondern einmal ganz anders geheißen hatte, ganz anders, steht der Gasthof Gratschbacher Hof meiner Eltern. Von dort, wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht, sind es vielleicht vierzig Kilometer zum Gratschbacher Hof. Von der gigantisch alpinen Steilingerwand, die anno dazumal wie heute für viele Eingeborene das Ende der Welt markiert, gelangt man zum Flussufer der Durlitz. Der rabiat plätschernden Durlitz kann man stromaufwärts folgen. Erst kommt das Dörfchen Bruder Elend, in dem ein ganzer römisch-katholischer Bettelorden einer burlesken einheimischen Bauerstochter verfiel, und dann die Brücke namens Jungfernsprung, wo sich seit jeher die Unglücklichen in den Freitod stürzen. Es folgt das Satzwasser, der meeresgroße See zu deiner Rechten, mit der verwitterten und morschen Seebühne aus Dunst, die im barschen Wind bis in alle Ewigkeit knattert und Stück für Stück bricht. Hör genau hin und dir entgeht nicht der Kontrapunkt des klunzenden Klagens von Alpen und Adria, und wenn dein Gehör besonders gut ist, entdeckst du sogar noch ein paar nachhallende Textfetzen unvergesslicher Konzerte. „Mäh Mäh Mäh Märchenprinz“, stottert es da zum Beispiel aus einem längst vergangen Jahr herauf. Bleib nicht stehen. Fast ist es geschafft. Geh weiter, ins Innere des Landes hinein. Da sind Maisfelder, Kürbisse und Kohlrabi, je nach Jahreszeit, Wiesenblumen an unbewirtschafteten Flächen und man sieht Jagdhunde im Dreisprung über den frisch gepflügten Acker einem Fasan nachsabbern. Dazwischen immer wieder Bäume, zuerst vereinzelt, dann vermehren sie sich und drängen zu einem infiniten Schatten eng aneinander, es ist nur noch Nadelwald. Hier bist du richtig. Geh ruhig tiefer hinein. Immer dem Dunkel nach. Und der Stille. Wird einem schon ganz bänglich, vermindert sich das Geäst und ein frei atmendes Grundstück zeigt sich, dessen Schönheit man sein ganzes Leben lang nie wieder vergessen wird, nie wieder. Das ist es. Dieses Grundstück gehört meinen Eltern und genau hier steht der Gasthof Gratschbacher Hof.

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j jost unweit vom schakaltal TEXT
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