Jurydiskussion Bov Bjerg

Von Klaus Kastberger nach Klagenfurt eingeladen, trug Bov Bjerg bei den diesjährigen Tagen der deutschsprachigen Literatur seinen Text „Serpentinen“ vor. Laut Jury ein starker Text.

Im Text werden Episoden aus dem Leben des Ich-Erzählers Höppner und dessen siebenjährigen Sohnes dargestellt. Die Abschnitte des Texts bieten wenig Orientierung, jedoch werden nach und nach Zusammenhänge erkennbar. Dem gegenüber stehen einerseits die klare Sprache und andererseits ganz konkrete Situationen in der Vater-Sohn Beziehung.

Bov Bjerg

ORF/Johannes Puch

Bov Bjerg

Die Diskussion zu Bjergs „Serpentinen“ leitete Insa Wilke ein. „Das ist ein spektakulär unspektakulärer Text oder anders gesagt ein unspektakulär spektakulärer Text“, urteilte sie. „Serpentinen“ erzähle von einem Ferientag und einer Eltern-Kind-Beziehung.

Winkels: „Schöne Dialoge“

Juryvorsitzender Hubert Winkels erkannte die Geschichte der Zivilisation und die Genealogie der Familie in der Erzählung. Es seien Schnitte in der Genealogie gewesen. Vater und Sohn verbringen einen schönen Tag. Die Dialoge funktionieren gut, „sind sehr schön“. Am Ende gebe es sogar einen utopischen Ausblick, dass Veronika sich so entwickelt hat, dass der Ich-Erzähler zum Jauchzen veranlasst werde. Der Text sei locker geschrieben aber „motivisch zu dicht“.

Jury

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Stefan Gmünder begriff den Text als eine Erzählung über Flucht und fand damit einen zusätzlichen Interpretationsansatz. Der Text kreise spiralförmig um eine Leerstelle. Die immer wiederholte Frage „Um was geht es?“ fand er „fast schon zu prägnant“. Den zweiten Teil, wo sie unterwegs sind, fand er besser.

Auf Winkels’ Ausführung Bezug nehmend sah Wilke keine Schnitte im Text und empfand ihn nicht als zu eng. Eher fand sie es faszinierend, dass in dieser Enge ein Kosmos aufgebaut werde. Es gehe auch um einen politisch denkenden Menschen, der dem Kind etwas aufbürde. Er wisse, er bürde dem Kind etwas auf. Wie schon in „Schnittmuster“ von Clavadetscher gehe es um die Frage, wie etwas weitergegeben werde.

Hildegard Keller

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Hildegard Keller

Vater will dem Kind einiges verheimlichen

Hildegard Keller bezog sich auf die Diskussionen vom Vormittag und bekräftigte, in „Serpentinen“ einen radikal erzählten Text zu sehen. Im Vordergrund sei eine oberflächliche Geschichte, auf tieferer Ebene gehe es aber um den Vater, der versuche, dem Kind vieles zu verheimlichen. „Eine raffinierte Spannung zwischen Kälte und Wärme“, sah Keller in deren Beziehung. Es scheine, als hätten einige Figuren das Leben gemeistert, andere nicht.

Gomringer

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Gomringer macht Fotos

„Provinz als Katalysator“

Inka Wilke wollte den Eindruck der Enge noch einmal hinterfragt wissen. Es sei eigentlich ein offener Text, der „gar nicht eng ist“. Michael Wiederstein stellte klar, dass die Provinz als Katalysator funktioniere. Eigentliche stehe die Provinz für etwas Konservatives, gleichzeitig gebe es Zeitraffersachen, die Provinz sei eigentlich der Wandel. Eigentlich sei das trotz der erwähnten Suizide ein optimistischer Text mit Twist, den man zu Beginn nicht erwarte. Winkels widersprach dieser Auffassung und erachtet den Text als durchaus melancholisch. Er suggeriere schon eine Verzweiflung über den Zustand, den Gang der Zivilisation. Nur von der Motivdichte her sei es enorm. Wilke ergänzte, er arbeite im Prinzip mit lyrischen Mitteln.

Veronika als „befreiendes Element“

Klaus Kastberger hatte Bov Bjerg und dessen Text nach Klagenfurt eingeladen, da er „tief grabe“. Es werde ein schweres Thema behandelt, drei Selbstmorde geben dem Text eine unglaubliche Schwere. Es sei ein wahnsinnig konziser Faden, den der Text abarbeitet. Da sei nichts angesammelt, das nicht mit der Frage des Textes zu tun hat. Es gehe um die Fragen nach Identität und Heimat. Trotz der schweren Frage gebe es ein befreiendes Element. Die einzige Frage des Vaters sei, ob er dem Sohn seine wahre Identität zumuten könne. Das befreiende Element sei die Geschichte von Veronika.

Wilke hingegen meinte, der Text frage sich, wie der Mann sein Kind durch das Leben bringt. Die Wärme im Text ergebe sich aus der Beziehung zwischen Vater und Kind.

Nora Gomringer spürte nicht so viel Wärme zwischen den Figuren. Was sie sehr mochte war dieses „so weit sind wir gekommen“ und dass man über Stationen hinausgeht, fand sie berührend.

Gmünder berührt

Gmünder kam auf die Frage zu sprechen, wie sich das eigene Leben auf das Kind auswirke. Auch er zeigte sich vom Text berührt.

Laut Kastberger hat alles auch erzähltechnisch seinen Platz im Text. Dass es so unmittelbar in der Realität sei und gleichzeitig auch in der Fiktion, mache die Qualität des Text aus. Es gehe um die große Abkürzung.

Winkels wiederholte sein Lob für die im Text vorkommenden Dialoge und meinte, diese seien performative Akte und sie gut hinzubekommen sei eine Kunst.

Klaus Kastberger

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Klaus Kastberger

Laut Keller geht es um ein Wechselspiel zwischen Dialogfetzen und innerem Kommentar. Sie fragte sich aber, was für ein Mensch der Vater sei. Wilkes einfache Antwort: „Er ist nicht zu orten.“ Kastberger ergänzte, dass er nicht geortet werden darf, könnte einen Hintergrund haben. Es gebe eine Geheimnisebene. Wilke fände es interessant die Texte von Maljartschuk und Bjerg zu vergleichen und über die Mechanismen von Offenheit und Festlegung während des Schreibprozesses zu sprechen.

Ein unspektakulär spektakulärer Text. Über Details sei sich die Jury nicht einig, wohl aber darüber, dass es ein starker Text sei, rundete Christian Ankowitsch die Diskussion zu „Serpentinen“ ab.

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