Jury angetan von Ferdinand Schmalz

Ferdinand Schmalz las auf Einladung von Sandra Kegel den Text „mein lieblingstier heißt winter“, die Geschichte eines Eismannes, der eine Leiche verstecken soll. Der Text sei sehr glaubhaft (Kastberger), Keller lüftete imaginär den Hut.

Die Abwesenheit von Großbuchstaben, rhythmische Inversionen, sprechende Namen und tiefgekühltes Essen, vor allem Rehragout, sind nur einige der tonangebenden Elemente dieses poetischen und absurd anmutenden Texts. Er erzählt die Geschichte des Eismannes Franz Schlicht. Er wird inmitten seiner Routine von äußerst heißen Temperaturen positiv und von der Bitte seines Kunden Doktor Schauer, dessen Körper nach erfolgtem Selbstmord an einem bestimmten Ort auszusetzen, negativ überrascht. Er schiebt die makabre Aufgabe auf, nur um schließlich festzustellen, dass Schauers Körper nicht ist, wo er sein sollte.

Keller Wiederstein

ORF/Johannes Puch

Hidegard Keller

Keller: „Lüfte den Hut“

Hildegard Keller machte den Anfang an Tag zwei. Sie war der Meinung, der Autor könne Figuren schaffen. „Ich hoffe, Sie sehen, wie ich imaginär den Hut lüfte“. Schön sei, dass der Autor kleine Leute nicht vorbeiparadieren lasse, sondern man dürfe ins Innere sehen.

Meike Feßmann habe beim Lesen noch leise Zweifel gehabt, der Klamauk verwandelt sich laut ihr aber alsbald in eine Moritat. Es sei eigentlich eine einfache Umdrehung, zu sagen, der natürliche Tod sei der tragische Tod. Ihr habe es eingeleuchtet, dass der Tod aus dem Inneren ein schlimmerer sei. Die Mischung aus Heiterkeit und Ernsthaftigkeit fand sie „überzeugend“.

„Metaphern werden dominant“

Winkels war der Ansicht, der Text erschließe sich weniger über die Figuren, sondern eher über sich selber. Es würde sich eine persönliche Philosophie entwickeln, die „stoffliche körperliche Materialität von Sprache wird immer in Aggregatzuständen von Körpern geschildert“. Schauer entferne sich aus der normalen Welt, die Metapher rund um die Jagd werde dominant und Schauer münde in dieser Motivik.

Winkels

ORF/Johannes Puch

Gmünder, Winkels,

Es verknüpfe sich die Materialität seiner Sprache mit der Materialität der Figuren. Ein Psychiater würde laut Winkels wahrscheinlich von einer paranoiden Psychose sprechen. Sandra Kegel bemerkte, der Text sei makellos. Es seien Figuren, die selten in der Literatur vorkommen würden. Schlicht sei ein Mann im Bofrost-Auto, der die tiefkühlunternehmerischen Fähigkeiten hat, den Plan des Doktor Schauer auszuführen. Die Idee sei, dass Doktor Schauer aus Rehragout ein Kunstwerk erschaffen möchte, damit sei der Text „total in der Gegenwart“.

Feßmann: Sprachlich nicht makellos

Meike Feßmann konnte der Behauptung, der Text sei makellos, gar nicht zustimmen. Schon sprachlich sei der Text nicht makellos. Sie störte sich auch daran, dass einiges anders vorgelesen worden sei, als es im Text stehe. Winkels widersprach und erläuterte, man müsse das Makellose anders sehen, man solle sich nicht darauf beschränken, eine makellose Grammatik zu erwarten.

Stefan Gmünder war der Überzeugung, man könne es Franz Schlicht nicht abkaufen, dass er ein schlechter Mensch sei. Was aber auffallen würde, sei, dass Schlicht Kälte mit sich trage. Ein wichtiges Wort sei „Gefrierbrand“, das Aufeinandertreffen von Kälte und Hitze „rockt den Text“.

Sandra Kegel

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Sandra Kegel

„Sarkasmus und Ironie überlagern Text“

Michael Wiederstein fand, der Sarkasmus und die Ironie würden den Text überlagern, er sah keine Verbindung zwischen den Geschehnissen im Text und dem Rehragout. Keller konterte: „Hirschragout ist nicht etabliert als Lieferprodukt.“

Klaus Kastberger stimmte Winkels zu und meinte, der Text sei ohne einem klaren Verständnis der Sprache nicht zu verstehen. Schauer heiße „nur deshalb Schauer, damit am Ende kein Schauer aus der Gefriertruhe kommt“. In dem Text sei alles „sehr, sehr glaubhaft“, das seien keine Fehler und alles sei intentional. Der Text habe eine unglaubliche Präsenz und er glaube, das Rehragout sei „ein sprechendes Rehragout“.

Solche sprachfixierte Texte sagen etwas über die Realität, manchmal auch mehr, als realistische Texte. Des Weiteren machte er geltend, „natürlich ist der Bezug zu Horvath da“, mit dem Essen und der Sprache. Da sei eine aktuelle Art mit Horvath umzugehen, das veruntreue die Wurzeln der Sprache nicht. Trotz der vielen dramaturgischen Kniffe funktioniere Schmalz‘ Text auch als Prosatext gut.

Kastberger

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Klaus Kastberger

„Text sehr durchdacht“

Winkels fügte hinzu, es komme darauf an, wie gut der Text gebaut ist. Dieser Text sei sehr durchdacht: Die letzte Ladung Rehragout wird geladen, das Tier ist zur Gänze vollständig und „Schauer opfert sich mit dem Rehragout“. Keller kam noch einmal zur Sprache und Figurenkonstellation zurück. Sie sei überrascht gewesen, wie die Figuren sprechen, diese Art der warmen Sektion der Figuren, die Dialogfetzen würden die Figuren interessant machen.

Sandra Kegel: „Die Sprachverdrehung spiegelt die Verdrehung der Welt wieder.“ Das Schauermärchen sei mit anarchischem Humor erzählt, Schauer habe „buchstäblich ein perfektes Kunstwerk für seinen Tod geschaffen“. Er wolle einen Leser seines Kunstwerks und finde den perfekten Leser in dem schlichten Eismann Schlicht.

„Das betrifft uns“

Kastberger machte darauf aufmerksam, es sei ein Missverständnis, Horvath auf die kleinen Leute zu reduzieren. Die Probleme, die verhandelt werden, seien „die Probleme von uns“. „Das sind nicht die kleinen Leute, es betrifft uns“. Winkels erklärte, es sei dennoch zu Reduktionen gekommen, man könne den Sprachschatz um den Eismann reduzieren und darin operieren. Innerhalb dessen werde die Sprache heiß, die paranoide Struktur funktioniere genauso beim Feuerwehrmann Fabian. Ein sprachmächtiger Text, der die Jury zu vorwiegend positiven Beurteilungen animierte.

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