Björn Treber: Jury ortet Unbeholfenheit

Der in Klagenfurt geborene Autor Björn Treber las auf Einladung von Stefan Gmünder den Text „Weintrieb“. Die Jury befand, der Text habe Schwächen und zeige Unbeholfenheit. Ein junger Autor dringe schutzlos mit seiner Intimität in die Literatur vor (Kastberger).

„Weintrieb“ ist eine nüchterne Betrachtung des Ich-Erzählers und vergegenwärtigt Details des Begräbnisses seines Großvaters Siegfried Weintrieb. Es sind leise Momentaufnahmen, Kleinigkeiten werden verbalisiert, der Text ist von einer immensen Langsamkeit geprägt. Die Trägheit und Schwere spiegeln die Taubheit wider. Die Begräbnisleute und vor allem enge Angehörige bei diesem Anlass empfinden. Der Fokus ist auf das Hier und Jetzt der Bestattung gerichtet, aber der Auszug ist eine feinfühlige Hommage an die Titelfigur.

Jury Björn Treber

ORF/Johannes Puch

„Frische Schilderung eines Begräbnisses“

Hildegard E. Keller sagte, sie habe selten eine so frische Schilderung eines Begräbnisses gelesen. Sie würde gerne in diese Welt eintauchen wollen, eine animistische Welt, sie „hätte gerne mehr gehört“.

Sandra Kegel hingegen hatte mehr Probleme mit dem Text. Der Text sei in der Bildererzeugung zu schwach. Der Text würde versuchen, aus einem extremen Sujet seine Spannung zu erzeugen.

Sandra Kegel

ORF/Johannes Puch

Sandra Kegel

„Autor findet richtigen Zugang nicht“

Meike Feßmann meinte, Qualität sei daran zu erkennen, wenn das Allgemeine über das Besondere geschildert werde. Hier bleibe es zu allgemein, der Autor fände nicht den richtigen Zugang. Die Geschichte gehe brav ins Tableau ein, was aber problematisch in einem Text über den Tod sei, denn „ja, irgendwann müssen alle ins Grab“. Der Widerspruch zwischen der Allgemeinheit und dem Besonderen müsste anders umgesetzt werden.

Michael Wiederstein wies auf die unterschiedliche Wahrnehmung des Texts. Ihm sei vor allem die versteckte Aggression in der Haltung des Enkels gegenüber dem Toten aufgefallen. Es klinge, als sei da auch Ekel und Abscheu, daraus beziehe der Text seine Spannung. Feßmann konnte auch eine Aggression ausmachen, jedoch hatte sie im Gegensatz zu Wiederstein das Gefühl, der Enkel sei der wirklich Trauernde, nicht die restlichen Trauergäste.

Hubert Winkels

ORF/Johannes Puch

Hubert Winkels

Juryvorsitzender Hubert Winkels hielt diese Dinge für Fehler, für Unbeholfenheit. Es fehle Fokussiertheit. Die letzten zehn Zeilen auf Seite seien repetitiv. Er befand den Text für nicht gelungen. Er lasse alles vermissen, was ein Text braucht, um den Leser zu fesseln. Weintrieb bilde alles heraus, was schon x-mal erlebt wurde. Was man ihm aber dennoch zu Gute halten könnte, sei die Langsamkeit, Verlangsamkeit, aber er tue es mit einer Unbeholfenheit.

„Junger schutzloser Autor“

Klaus Kastberger hatte das Gefühl, der Text nehme ein immenses Risiko in Kauf. In dem Text sei alles mutig und alles sei Realität. Man könne bei der im Text genannten Nummer tatsächlich anrufen, der Text verarbeite Intimität und Zurschaustellung. Er habe das Gefühl, dass ein junger Autor schutzlos mit seiner Intimität in die Literatur vordringe. Treber könne aber schon etwas und lasse etwas für die Zukunft erhoffen. „Grottenschlecht“ sei er nicht, so Kastberger.

Keller sieht keine Fehler sondern Fehlendes

Hildegard Keller bemerkte, dass diese Diskussion zeige, wie sie selber ihre Aussagen zu relativieren versuchen würden. Ungeachtet des Sujets halte sie es für einen präzisen Text, sie sehe keine Fehler, sondern eher Fehlendes. Das Verflixte daran sei, „dass es so wenig ist“.

Stefan Gmünder nahm auf die von Kastberger erwähnte Ungeschütztheit Bezug. Es gehe nicht um Abbildung, sondern um Nähe, vom „Wir“ komme es zum „Ich“, er spürte eine Verlangsamung im Text und er habe den Text ähnlich wie Keller gelesen, fand ihn gut.

Feßmann hatte an dieser Stelle das Bedürfnis, klarzumachen, die Jury habe hier den Text angegriffen, nicht die Person dahinter.

„Erstes Kapitel eines Romans“

Keller verwies noch einmal darauf, dass es hier um das erste Kapitel eines Romans gehe. Was danach käme, werde aufgrund des Formats des Bachmannpreises nicht beachtet. Die ließ die letzten Jahre kurz Revue passieren und stellte fest, es werde verstärkt über eigene Familien geschrieben. Aufgrund dessen könne man „Weintrieb“ daher nicht kritisieren.

Kastberger widersprach abschließend der Meinung, der Text sei stilistisch „grottenschlecht, so grottenschelcht ist er nicht“. Wie Wiederstein habe auch er das Gefühl gehabt, da sei ein aggressiver Unterton vorhanden im Erzähler vorhanden. Er mochte, dass da nicht geheult und Empathie aufgebaut werden. Der Annabichler Friedhof und die Vögel, die nur für ihn singen, seien eine gute Brechung mit den Erwartungen. „Treber kann schreiben.“

Kegel hätte die Aggressivität ausgebaut haben wollen. Sie hätte sich mehr erwartet. Wie der Juryvorsitzende befand sie, der Text sei zu repetitiv. Sie habe sogar bei der Telefonnummer angerufen, aber „kein Anschluss unter dieser Nummer. Genau das hätte mir gefallen“.

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