Text Dana Grigorcea (CH/ROM)
Rapineu wohnte zwei Straßen entfernt und war Vaters Schulfreund und, was Mutter so beeindruckte, er war Souffleur im Bukarester Opernhaus. Es muss wohl seinem verschrobenen Humor geschmeichelt haben, als er, der doch in einem dunklen Kasten im Bühnenboden arbeitete, einen ebenso kleinen, allerdings erhöhten gläsernen Kasten beim Gartenzaun seines Hauses errichten ließ – für die operettenhafte Erscheinung jener Dame, die alle im Quartier nur die „Hübsche“ nannten und die in dem Glaskasten dem sehr lukrativen Beruf der Remailleuse nachzugehen begann, sie repassierte Laufmaschen in Seidenstrümpfen. Es ist auch nicht verbrieft, ob das Interesse, das die Opernsängerinnen und Ballerinas und schließlich auch die Damen im Quartier für Rapineu zeigten, ihm persönlich galt oder doch eher seiner vielbeschäftigten und mithin sehr wählerischen Mieterin. Glaubhaft erscheint allerdings, dass der Gang zur Hübschen mit einem Paar in Zeitungspapier eingewickelter Seidenstrümpfe als Vorwand dienen konnte, während der Auftragsarbeit sich ein wenig beim fröhlichen Junggesellen Rapineu aufzuhalten, der stets Wein im Haus hatte und Siphonflaschen, die er im Kellergeschäft bei der Oper aufzufüllen pflegte.