Jurydiskussion Julia Jost

Die gebürtige Kärntnerin Julia Jost las auf Einladung von Klaus Kastberger den Text „Unweit vom Schakaltal“, in dem die Ich-Erzählerin ein Bild Kärntens zeichnet. Zwar voll geographischer Schönheit, doch voll persönlicher Tragik. Die Jury zeigte sich großteils begeistert.

Landschaftsbilder, ein Klassenfoto und die darauf abgebildeten Mitschülerinnen und Mitschüler bilden die Grundlage für Josts Geschichte über das Aufwachsen inmitten einer politisch rechts gesinnten Jagdgemeinschaft, den Missbrauch durch einen Geistlichen und eine Mutprobe im Wald mit tödlichem Ausgang. Das verstorbene Opfer wird von der Mutter mit schakalähnlichem Jaulen betrauert.

Erster Tag Julia Jost

ORF/Johannes Puch

Julia Jost

Vom Opfer- und Tätersein

Hubert Winkels meldete sich als erster zu Wort. Die Geschichte feiere den Tod Franzis und die damit verbundene Wiederkehr des Messers mit der klassischen Naziaufschrift „Meine Ehre heißt Treue“ mit Sarkasmus. Viele Regionalia würden die Textoberfläche aufrauen, der Rahmen, der diese Geschichte gebe, sei für ihn akzeptabler als jener im Text von Silvia Tschui. Franzi sei schon einmal Opfer gewesen, es sei das Fortschreiben des Opferseins und des Täterseins.

Laut Hildegard Keller sei „Unweit vom Schakaltal“ eine Coming-of-Age-Geschichte mit sagenhaften Elementen. „Es ist ein unerhört rotziger Ton, virtuos“, urteilte sie. Ein Lachen habe sie trotz der Thematik beim Lesen verspürt. Franzi sei das totale Opfer. „Eine starke Geschichte mit Bosheiten in alle, alle Richtungen.“

Lesung Julia Jost

ORF/Johannes Puch

Hubert Winkels

Wiederstein kritisiert Vorherehbarkeit

Michael Wiederstein lobte zunächst die Art, wie der Text vorgelesen wurde. Er sei aber auch aufgrund der Synästhesie äußerst gut. Was ihn störe, sei die Vorhersehbarkeit des Texts. Das Messer sei ein SS-Messer gewesen und damit komme die Nazivergangenheit des Großvaters ans Licht. Das sei deshalb schade, da die anfängliche Schönheit den Leser mit „du“ anspreche, das komme aber nicht mehr wieder. Sobald Franzi in den Brunnen springe, finde er den Text unglaubwürdig.

Dem widersprach Insa Wilke, die den Text gar nicht unglaubwürdig finde. Jedoch kenne sie diese Art Text, sie habe Faschismus und Sexismus erwartet, in der Tat sei der Text aber „virtuos erzählt“. Am Anfang habe man eine Erzählinstanz, die schließlich ins Ich münde, das habe ihr sehr gefallen. Sie habe dennoch das Gefühl gehabt, etwas werde abgefedert, und übergab somit an ihre Kollegen.

„Beginnt harmlos und steigert sich“

Stefan Gmünder entdeckte „einen Drive, eine Kraft“ im Text, „ohne zu überdrehen“. Die Vergangenheit, die nicht ruhe, werde hier sofort angesprochen. Das wiederkehrende Motiv des Blutstropfens werde sofort erwähnt, ebenso wie Kurt Waldheim. Die Geschichte würde harmlos beginnen und sich allmählich steigern.

Winkels meinte, dieser Text zeige, wie man mit bekannten Motiven arbeiten könne. Diese Art mit bekannten Motiven umzugehen, kenne man nur aus Österreich. Böse Seitengeschehnisse würden die Hauptgeschehnisse begleiten.

Lesung Sarah Wipauer

ORF/Johannes Puch

Klaus Kastberger

Dem pflichtete Klaus Kastberger bei, der die Autorin zum Wettbewerb eingeladen hatte und den Text „super“ gefunden hätte. Der Text habe zwar eine Kinderperspektive, jedoch im Nachher. Diese Perspektive ermögliche die Bösartigkeit. Die „forcierte Ironie“ lasse erkenne, dass es sich um eine nachträgliche Perspektive beim Ansehen des Klassenfotos handele. Ihn habe auch fasziniert, dass dieses Thema seit Thomas Bernhard dominierend sei, jedoch würde sich der Text mit Humor daran wagen. Wenn man das schon noch einmal machen müsse, solle es „zumindest Spaß machen“. Die Distanzierung und die Ironie seien das Besondere des Texts.

„Grausamkeit ist immer da“

Die Kernparabel sei laut Nora Gomringer, dass die Grausamkeit immer da sei. Die Kinder würden völlig fühllos gezeigt werden, sie seien „eiskalt, als wäre es ein Leichtes, einen Menschen einfach so gehen zu lassen“. Dies sei extrem stark im Text.

Lesung Julia Jost

ORF/Johannes Puch

Nora Gomringer

Stefan Gmünder strich auch das Wir-sind-Wir-Gefühl hervor, wo sogar ein Tiroler als Fremder erkannt werde.

Hildegard Keller hakte noch einmal bei der Perspektive ein. „Viel jugendlicher Großsprech“ sei erkennbar, sie frage sich, ob das tatsächlich eine Perspektive aus dem Später sei, wie Kastberger erklärt hatte.

Michael Wiederstein hätte sich eine Wendung, gewünscht, die Klischees hätten seiner Meinung nach gebrochen werden müssen, um dem Text mehr Kraft zu verleihen.

Hubert Winkels erkannte in dem Text eine Opfergeschichte. Der Schwächste in der ganzen Kette sei der, in dessen Blut die anderen dann weitermachen.

Lesung Julia Jost

ORF/Johannes Puch

„Man wird die Geschichte nicht los“

Klaus Kastberger habe sich kein Happy End gewünscht. Das Ende zeige das Topos auf, das in Österreich bekannt sei. Man werde die Geschichte nicht los, da sie sich in der Landschaft manifestiere. Das Schakaltal sei aber eine alternative Namensgebung und das sei eine starke Wendung des Texts. Der Text sei eine Erklärung für die Namensgebung und stelle kein Rätsel dar, das Winkels im Namen ortete. Die Konnotationen die der Begriff „Schakal“ hervorrufe, müsse man laut Winkels beachten. Kastberger hingegen sah darin eine Unnotwendigkeit, das sei, was Kritik mache.