Jurydiskussion Tanja Maljartschuk

Die aus der Ukraine stammende Tanja Maljartschuk schreibt seit 2014 in deutscher Sprache und wurde von Stefan Gmünder zum diesjährigen Bewerb eingeladen. Die Jury zeigte sich größtenteils vom Text überzeugt.

In ihrem Text „Frösche im Meer“ thematisiert Maljartschuk das zuweilen fehlende Interesse der jüngeren Generation an ihren betagten Verwandten und die Probleme einer sozial ungleichen, von der Natur entrückten und xenophoben Gesellschaft. Der aus dem Ausland stammende Petro besitzt keinen Pass mehr und schlägt sich als Parkkehrer durchs Leben. Die Neuigkeiten aus seinem Heimatort und seine gegenwärtige Situation schmerzen ihn. Selbstlos kümmert er sich um die senile Frau Grill, kauft für sie ein und wäscht ihr Geschirr nur um von ihrer Nichte der Perversion beschuldigt zu werden.

Tanja Maljartschuk

ORF/Johannes Puch

Tanja Maljartschuk

„Schöne Erzählung, glatt gemacht“

Die Diskussion zu „Frösche im Meer“ begann nach kurzem Zögern Nora Gomringer: „Ja, gut gemacht“, so ihr Urteil. Es sei eine schöne Erzählung, glatt gemacht. Petro komme aus einer anderen Welt, zum Schluss komme es zum „Drama of errors“, wie eine Auflösung, nach der man nicht wisse, was mit ihm geschieht.

Insa Wilke meinte, Maljartschuk mache das Gegenteil von Klein. Es sei eine „einfache Geschichte, die kompliziert“ sei und auf eine besondere Weise erzählt werde. Man wisse, was mit Menschen ohne Papiere und mit alten Menschen geschehe. Das Interessante sei die Art, wie das hier erzählt wird. Es gebe keine Innensicht. Die Sätze seien „sehr resolut, ohne Gefühlsduselei“. Auch wenn man das am Anfang denken könnte, sei es „kein freundlicher Text“, dadurch werde er aber spannend.

Klaus Kastberger sprach über die Motivation der Protagonisten. Es sei ein vom Hintergrund harter Text und es gebe nichts an dem Text auszusetzen. „Die Verlage werden sich darum reißen.“ Ihn hätte es interessiert, wie es weitergeht.

Klaus Kastberger

ORF/Johannes Puch

Klaus Kastberger

Keller: „Schlauere Menschen als Petro“

Für Hildegard Keller war die Ausgangslage komplexer. Petro lösche sich und seine Identität selbst aus. Er könnte auch zu dumm sein, es gebe durchaus schlauere Menschen mit drei Pässen. Er habe alles selbst verursacht, aber mit den Folgen könne er nicht leben. Er sei ein Verlierer, genau wie Frau Grill. Keller sah in ihm einen „Mann als Opfer“. Sie hinterfragte, ob die Komik überall gewollt war und stellte die Möglichkeit der Groteske in den Raum.

Wilke: Petro lebensklug

Wilke sah Petro ganz anders als, er sei eine „lebenskluge Figur“, die wisse, wie man es machen müsste. Interessant fand sie die Sprache, vor allem den Konjunktiv zu Beginn. Man dürfe beim Lesen nicht nur auf realer Ebene bleiben und es sei gut, die Motive anzusehen: die Fantasie, die Einsamkeit, den Wunsch, die Realität und das Irreale in Bezug darauf wie Menschen miteinander umgehen. Der Text sei „komplizierter als es scheint“.

Auch Stefan Gmünder sah in Petro keinen Verlierer und im Text eine komplexe Parabel. Petro sei eine Figur, die dann sicher ist, wennsie ein Niemand ist. Es sei schließlich auch ein Text über die vielen Gründe des gehens. Petros Flucht aus der Heimat beruhe auf verschiedenen Hintergründen, er setze die Biographielosigkeit in der neuen Umgebung fort. „Sehr, sehr schön und wahnsinnig gut gemacht“, befand er. „Sehr elegant“, gute Literatur würde Schwäche in Stärke verwandeln.
Keller wollte von Wilke wissen, wieso Petro auf Handlungsebene kein Verlierer sei. Wilke meinte, man müsse vielleicht definieren, was ein Verlierer ist. Petro sei eine Figur, die zurechtkommt. Gmünder ergänzte, Naivität werde angedeutet, aber Petro sei dennoch eine starke Person.

Wilke Gmünder

ORF/Johannes Puch

Wilke, Gmünder

„Endlich eine richtige Geschichte“

Hubert Winkels führte aus, beide Figuren seien ein Supplement für einen jeweils anderen. Beide kommunizieren mit jemandem, der es nicht ist, einerseits die Mutter, andererseits der tote Mann, dann breche die Realität ein. Daher fand er, die Diskussion über schwach oder stark stelle sich gar nicht. Er schloss sich Kastberger an und befand, die Geschichte sei stimmig. Man tue sich schwer, sie giestreich zu umgarnen. Kastbergers Reaktion „ja, lass sie doch einfach“ erntete Applaus aus dem Publikum.

Michael Wiederstein stellte heraus, dass man als Leser sehr nah bei den Figuren sei. Man müsste sich vergegenwärtigen, dass diese Geschichte hätte schief gehen können. Die Figuren würden Fehler machen, es gebe dieses Hin und Her, deshalb erlebe man als Leser eine gewisse Demut. Er sei erleichtert, dass „wir endlich mal eine richtige Geschichte haben“. Kastberger legte dar, der Schluss habe die Funktion aus dem Genre des Schelmenromans herauszukommen, aber er vermutete, die Autorin habe das bewusst gemacht.

Gmünder fand die Drehung am Schluss schön, dass die Polizisten kommen, wenn jemandem geholfen wird.

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