Barbi Markovic überzeugte Jury nicht

Die 1980 in Belgrad geborene Barbi Markovic wurde von Klaus Kastberger eingeladen. Bei der Diskussion um den Text „Die Mieter“ über ein Familiendrama rund um zwei Schwestern war die Jury verhalten, sie konnten einander nicht gegenseitig vom Text überzeugen.

In die „Die Mieter“ erzählt Markovic die als intimes Familiendrama maskierte Geschichte zweier Schwestern, deren Familie aus unerklärlichen Gründen tot ist und die es trotz dieser Umstände nicht schaffen, ihre Differenzen zu überbrücken. Auf metaphorischer Ebene ist es eine durchaus engagierte Geschichte, die Engstirnigkeit kritisiert, das Wirken von nationaler Identität hinterfragt und übertriebenen Patriotismus problematisiert.

Barbi Markovic

ORF/Johannes Puch

„Keine Spannung mehr“

Huber Winkels fasste zusammen, was in der Geschichte geschieht und meinte, die Reaktionen auf den Tod der Familie seien eigenartig „un-erregt“. Man sei „auf einer parabolischen Bahn“, man folge einer imaginären Bedeutung. Was er bedauerlich finde, sei, dass auf Ebene der Geschichte keine Spannung mehr vorhanden sei und man gezwungen werde, auf der Ebene des Parabolischen zu verweilen. Man könne den Text auf unterschiedlichste Weisen deuten. „Wenn man einmal in diesem Interpretationsmuster ist, kommt man daraus nicht mehr raus.“ Das finde er etwas langweilig. Ihn störe „die zu grobe Parabolik“.

„Wohnung besitzt die Menschen“

Sandra Kegel erklärte, die Wohnung sei eigentlich diejenige, die die Menschen besitze. Die Familie, die dort wohnte, sei „ein Horror-Clan“. Die beiden Schwestern, eine, die sich dem Diktat unterworfen hat, und eine, die sich ihm entzog, sind die einzigen, die überlebt haben.

Sandra Kegel

ORF/Johannes Puch

Sandra Kegel

Meike Feßmann hielt den Text weniger für einen parabolischen als für einen hyperrealistischen Text. Ironie und Ernst könne man nicht wirklich auseinanderhalten, man wisse nicht, ob es lustig sei. Die eigentliche Heldin sei tatsächlich die Wohnung, stimmte sie Sandra Kegel zu. Insgesamt betrachtet fand sie den Text gut.

Wiederstein „gelangweilt“

Stefan Gmünder habe die Richtungs-, Zeit- und Taktlosigkeit, die die Familie baut als wichtig empfunden, aber es sei nicht zu eindeutig. Er fand den Text mit der Zeit etwas zu redundant, dennoch habe er ihn überzeugt.

Michael Wiederstein habe sich beim Lesen gelangweilt. Er tue so viele Interpretationscodes auf, man könne über so vieles nachdenken, „aber die Fenster werden alle wieder zugemacht“. Er habe auch das Gefühl gehabt, das sei der Autorin selbst aufgefallen. Die Horizonte hätten „Potenzial gehabt“, seien aber nicht verwirklicht worden.

Keller blieb ambivalent

Hildegard Keller sprach das vermittelte Frauenbild an. Eine Schwester bricht zur Freiheit auf, die andere „bleibt an der Torte kleben, wo sie verschimmelt“. Aber das stehe isoliert da, das „Davor und Danach findet halt auch noch statt“, zeigte sie sich ambivalent.

Klaus Kastberger nahm auf das Parabelhafte Bezug und wunderte sich, dass „man diese vielen Fenster sucht, aber das Wunderbare nicht sieht“. Es gehe um die Frage, wie diese Mieter in die Wohnung passen. Es sei aufgrund der Personen ausländischer Herkunft ein aktueller Text, in der Jury sehe er eine „Blindheit der Interpretation“. Zwischen Evi und Marta passiere viel, gegen Ende werde es „wirklich emotional“, da gehe es um die Frage „wie kann man in diesem Familienverband, der in sich geschlossen ist, entkommen?“

Winkels konterte, man könne den Text nicht auf die Vergangenheit der Familie reduzieren. Kastberger entgegnete, das Haus sei nicht Jugoslawien, es nehme die Leute, die Flüchtlinge mit ihrer Geschichte auf und die Frage sei, wie diese Menschen integriert werden.

Erster Lesetag Wiederstein

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Michael Wiederstein

Wiederstein warf Kastbergers Vorwurf auch ihm vor, auch er habe den Text überinterpretiert. Auch die Herkunft der Autorin sei ihm egal, der Text müsse als eigene Entität funktionieren. Die Figuren müssten sich entwickeln.

Jury konnte einander nicht überzeugen

Gmünder stimmte mit Kastberger überein und befand, die Figuren würden sich gegen Ende hin schon entwickeln. Er sehe ihn aber als offenen Text, den man in einen geschichtlichen Kontext setzen „kann, aber nicht muss“.

Kegel meinte, da werden große Fragen verhandelt, darunter Loyalität. Die Formulierung „Der wurzellose Rettich“ sei der „Rolling Stone“ der Marta, diese Formulierung werde sie sich merken. Die Diskussion endete mit dieser Spaltung der Jury, deren Mitglieder es nicht schafften einander gegenseitig zu überzeugen.

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