Ferdinand Schmalz TEXT

Ferdinand Schmalz las den Text: „mein lieblingstier heißt winter“ auf Einladung von Sandra Kegel. Sie finden hier einen Auszug des Textes und den gesamten Text zum Nachlesen im .pdf-Format.

er, franz schlicht, sieht sich in seinem innersten, in seiner tiefsten prägung als, wie man so sagt, schlechten charakter. sieht allerdings darin sich als gewordenen. genau gesagt denkt er sein schicksal als von einem moment, einem augenblick ausgegangenes. an diesem punkt, sekundenbruchteil, an dieser gabelung seines lebens stellten sich die weichen. da fuhr er ab, dieser charakterzug, mit ihm. da nahmen sie, diese entwicklungen, die schicksalhaften, ihren ausgangspunkt, an deren endpunkt er nun steht, oder besser der destruktive charakter, als den er sich heut sieht. und obwohl die welt in so einfachen bahnen sich nicht denken lässt, obwohl sich jeder jederzeit auch anders, also gegen sein schicksal entscheiden kann, würden ihn keine zehn seelsorger davon überzeugen können, sich nicht als das produkt dieses einen schicksalhaften augenblicks zu sehen. und gerade weil sich in ihm diese gewissheit eingenistet hat, dass seinem schicksal und charakter nicht zu entkommen sei, dass er sich selbst, wie man so sagt, nicht entkommen könne, egal in welchen zug er steigt, dass keiner ihn auch einen meter nur von seinem charakter entfernen könnt, darum begann er nun sich seiner schlechten prägung, dieser ungewollten schuld nicht mehr zu schämen. im gegenteil, insgeheim hatte er sich damit abgefunden keiner von den so genannten guten jungs zu sein. zwar bekannte er sich nicht in aller öffentlichkeit, doch da in seinem innerst inneren zu seiner schlechtigkeit. der schlicht ließ sich jedoch von außen nichts ankennen von seiner inneren gewissheit. im gegenteil, er strafte jeden lügen, der meinte, dass ein tieferer charakterzug auch nur an kleinsten äußeren merkmalen sich ablesen ließe. keine innere verschlagenheit hätt auf seinem gesicht auch nur unscheinbare spuren hinterlassen. kein anzeichen von listigkeit, das da in seinen augen aufscheinend ihn kurzerhand verraten hätt. so wirkte er, ganz seinem namen treu, geradewegs die schlichtheit in person, während sich da in ihm drin schon wieder pläne schmiedeten, wie man sich seinen unverdienten teil rausschlagen könnt.

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