Jurydiskussion Anna Baar

Anna Baar las auf Einladung von Stefan Gmünder den Text „Die Farbe des Granatapfels“. Es geht um Konflikte eines pubertierenden Mädchens mit der Großmutter. Die Jury war wenig begeistert, sah aber „Chancen“ und führte diesmal zur Frage, was mit den kroatischen Männern los sei.

Anna Baar

Johannes Puch

Gmünder meinte zu seiner Autorin, dass sei ein Text, „der aufs Ganze geht“, „ein strukturell und sprachlich sehr gut und präzise gearbeiteter Text“. Die zeitgeschichtlichen Spots und Bilder in dem Text findet er „subtil und schön, ohne aufdringlich zu sein“.

Kegel und Feßmann nicht begeistert

Sandra Kegel, etwas kritischer, „kann zwar damit leben, dass der Text manchmal ins Pathos dreht“, sie habe aber ein Problem mit der Psychologie der Figuren, speziell mit „rigiden Moralvorstellungen“ des Mädchens.

Meike Feßmann sah einen Konflikt in der „überinstrumentierten“ Schreibweise des Textes. Sie hält Manches für „umständlich und missglückt“. Klaus Kastberger dagegen fand Gefallen an der Stilistik des Textes. „Die präzise Art und Weise der Beschreibungen“ fand er ebenso gelungen wie, dass sich der Text auf Paradoxa einlasse. Deshalb halte er den letzten Satz der Geschichte („Denn so wie mich die Worte würgen, berausch ich mich daran.“, Anml.) für „aufrichtig“.

Jury publikum

Johannes Puch

Retourkutsche von Steiner für Kastberger.

Die Frage nach dem kroatischen Mann

Juri Steiner bemerkte, dass in diesem Text „auf listige Art und Weise“ mit Sprache umgegangen werde. Er frage sich, bezugnehmend auf die spitze Bemerkung Kastbergers was mit den Schweizer Männern los sei (Diskussion zum Text von Jürg Halter, Anm.) "was ist eigentlich mit dem kroatischen Mann?“. Dafür erntete er Lacher aus dem Publikum. Er empfinde dessen „Totstellen“ in der Geschichte als „extrem interessantes Motiv“ und deute es als kroatische Antwort auf die Geschehnisse im 20. Jahrhundert.

Hubert Winkels mochte zwar die atmosphärische Wirkung des Textes, erkannte Raum für Imagination, fand ihn aber „eine Nuance zu schön, zu geschmackvoll, zu sentimental“.

Keller erkannte Chancen

Elisabeth Keller sah in diesem Text „eine große Chance“ verborgen. Wie schon bei Lesungen in den vergangenen Jahren – bei Katja Petrowskaja oder Maja Haderlap – gehe es hier um eine weibliche Ich-Erzählerin, die ihre Familiengeschichte aufrolle, Sprachgrenzen überschreite und Tabus aufarbeite. Diese weiblichen Stimmen würden etwas zu Tage fördern, das Heilwirkung für die Familie und darüber hinaus haben könne.

Jury publikum

Johannes Puch

Eine Chance auf diese Wirkung erkenne sie auch in Anna Baars Text. Im gesamten Roman funktioniere es vielleicht, hier bei diesem Ausschnitt der Lesung, nicht ganz. Klaus Kastberger hob die Ambivalenzen (Sinnlichkeit vs. Askese, kroatisch vs. deutsch, würgen vs. berauschen) in dem Text und den beispielhaften Umgang der Autorin damit lobend hervor. Kastberger: „Der Text kneift nicht, sondern geht dran und will das in den Griff bekommen.“

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