Text Monique Schwitter (CH/D)

Monique Schwitter liest auf Einladung von Hildegard E. Keller. Ihr Text trägt den Titel „Esche“. Sie finden hier den ersten Absatz des Textes, der weitere Text ist als .pdf abrufbar.

„Die Liebe“, Nathanael macht eine lange Pause, in der er nicht atmet, „hör mir auf damit!“ Wir stapfen bei Regen durch den Buxtehuder Wald und suchen das Grab seiner Mutter. Nathanaels Mutter ist nicht tot, sie ist dement, aber ihr Mann Achim plant bereits ihre Bestattung. Und auch seine eigene und die seiner Freundin Julika, denn sie alle sollen, das ist der Plan, zu Füßen desselben Baumes im Buxtehuder Forst begraben werden, wo Julikas Mann Fredi bereits ruht. Julika hat diesen Baum für mehrere Tausend Euro auf dreißig Jahre hinaus gemietet, als Partnergrab, erweiterbar auf bis zu acht Personen. Ein entsprechender Vertrag mit der Firma, die solche Waldbestattungen anbietet, liegt in ihrem Brotkasten, in dem sie seit Jahren statt der Fränkischen Kruste, die Fredi so liebte, Dokumente und Bargeld aufbewahrt. Erweiterbar auf bis zu acht Personen. Julika, und nur Julika, wird bestimmen, wer sich zu Fredi dazulegen darf. Sie selbst, natürlich. Bleiben sechs weitere Plätze. Seit sie und Achim Liebesleute sind, ihre Beziehung hat sich parallel zur Demenzerkrankung seiner Frau entwickelt, ist Julika der Meinung, Achim solle einen davon erhalten, und zwar denjenigen direkt an ihrer Seite. Achim fand die Idee, als er sie hörte, gut, wandte aber nach einer kurzen Bedenkzeit ein, er könne seine arme demente Frau doch nicht einfach ganz alleine irgendwo verbuddeln lassen. Ob die denn nicht auch bei diesem Baum zu liegen kommen könne? Dann wäre auch Fredi nicht so alleine und es gäbe keine Eifersucht, eine gute Lösung für alle. Julika willigte schließlich ein. Mit Achims Frau wurde nicht gesprochen, was solle er sie mit so etwas belästigen, sie verstehe es ja doch nicht mehr.

Der ungekürzte Text

IBP 2015 Text Monique Schwitter
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