Ana Marwan
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Bachmannpreis 2022 für Ana Marwan

Der mit 25.000 Euro dotierte Ingeborg-Bachmann-Preis geht an Ana Marwan (SLO). 3sat-Preisträger 2022 ist Leon Engler (D/A). Der KELAG-Preis geht an Juan S. Guse (D), der Deuschlandpreis an Alexandru Bulucz (D/ROM), der sich auch bei der Jury als „fair und gesittet“ bedankte. Publikumspreisträger ist Elias Hirschl (A), ermittelt per Onlinevoting.

Die in Niederösterreich lebende Slowenin Ana Marwan ist die Bachmannpreisträgerin 2022. Sie las den Text „Die Wechselkröte“.

Bachmannpreis geht an Ana Marwan

Klaus Kastberger hielt die Laudatio. Der Text handle von der Wechselkröte – er habe von Michael Wiederstein erfahren, dass die Wechselkröte der Lurch des Jahres 2022 sei, das habe er vorher nicht gewusst, so Kastberger. Er habe zuvor auch nicht gewusst, welche immense Wirkung er auf das Publikum entfalten würde. „Die Autorin führt die deutsche Sprache, als hätte sie nie in einer anderen Sprache gelebt. Sie treibt das Deutsche vor sich her.“ Der Text handle von Einsamkeit, die alle in den letzten beiden Jahren erlebten.

Christian Scheider, Ana Marwan, Klaus Kastberger und Cecile Schortmann
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Preisübergabe an Ana Marwan

Der Preis wurde vom Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider überreicht. Ana Marwan sagte, sie habe das nicht erwartet, sie bedankte sich auf Slowenisch und Deutsch.

46. Tage der deutschsprachigen Literatur: Juan S. Guse, Alexandru Bulucz, Ana Marwan, Elias Hirschl, Leon Engler
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v.l. Juan S. Guse, Alexandru Bulucz, Ana Marwan, Elias Hirschl, Leon Engler

Die weiteren Preisträger

Der erste Preis, der am Sonntag vergeben wurde war der 3sat-Preis, er geht an Leon Engler (D/A) für seinen Text „Liste der Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten.“ Der Preis ist mit 7.500 Euro dotiert. Philipp Tingler hielt die Laudatio und sagte, er sei voller Freude über die Entwicklung. Dazugehören und doch nicht sei das Leitmotiv des Textes von Engler. Er habe sich an „The catcher in the Rye“ erinnert gefühlt. „Man kann ihn aber einfach auch so lesen“. Die Grundhaltung sei ironisch. Er gratuliere herzlich und freue sich sehr. Der Preis wurde von Landesdirektorin Karin Bernhard übergeben.

Karin Bernhard, Leon Engler, Philipp Tingler und Cecil Schortmann
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Preisträger Leon Engler flankiert von Karin Bernhard und Philipp Tingler

Leon Engler sagte in einer ersten Reaktion, er sei jetzt gerade „so pseudosouverän“ wie der Schauspieler in seinem Text.

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Die Preise
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Alle Preise wurden von Glaskünstler Mario Karner gestaltet
Christian Scheider, Ana Marwan, Klaus Kastberger und Cecile Schortmann
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Bürgermeister Christian Scheider, Ana Marwan, Klaus Kastberger und Cecile Schortmann
Christian Scheider, Ana Marwan und Klaus Kastberger
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Christian Scheider, Ana Marwan, Klaus Kastberger
Ana Marwan mit Bürgermeister Christian Scheider
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Christian Scheider mit Ana Marwan
Laudatio Klaus Kasterger
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Klaus Kastberger bei seiner Laudatio
Ana Marwan
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Ana Marwan
Leon Engler gewann den 3sat Preis
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Leon Engler mit Cecile Schortmann
Philipp Tingler bei seiner Laudatio
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Laudatio von Philipp Tingler
Juan S Guse flankiert von Manfred Freitag und Mara Delius
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Juan S. Guse mit Manfred Freitag und Mara Delius
Juan S Guse mit Mara Delius
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Juan S. Guse mit Mara Delius
Laudatio von Mara Delius
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Laudatio von Mara Delius
Alexandru Bulucz mit Insa Wilke und  Rene Aguiga
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Alexandru Bulucz mit Insa Wilke und Rene Aguiga
Publikumspreisgewinner Elias Hirschl mit Herta Stockbauer und Klaus Kastberger
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Elias Hirschl mit Herta Stockbauer und Klaus Kastberger
Justitiar Andreas Sourij und Christian Ankowitsch
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Justitiar Andreas Sourij und Moderator Christian Ankowitsch
Schlusswort von Insa Wilke
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Das Schlusswort hatte Juryvorsitzende Insa Wilke

KELAG-Preis geht an Juan S. Guse

Der mit 10.000 Euro dotierte Preis geht an den deutschen Autor Juan S. Guse, eingeladen von Mara Delius. In der Erzählung „Druckabfall“ erzählt er von einer illusionären Welt, die zur realen Welt zurückführt. Man könne Systemkritik im Text lesen, aber seine Ironie, die Auslassungen haben überzeugt und begeistert. „Wenn man einen Gedanken zu Ende denkt, geht er ins Absurde“.

Manfred Freitag und Juan S. Guse
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Manfred Freitag und Juan S. Guse

Der Preis wurde von Manfred Freitag von der KELAG übergeben. Der Autor sagte, sein Soziologiestudium helfe nur am Anfang von Texten. Eine Idee war, dass indigene Völker US-Basen nachbauten, das haben ihn inspiriert.

Deutschlandfunkpreis geht an Alexandru Bulucz

Der mit 12.500 Euro dotierte Deutschlandfunkpreis geht an Alexandru Bulucz (D/ROM) für den Text „Einige Landesgrenzen weiter südlich als hier“. Insa Wilke sagte in der Laudatio, der Grund für die Auszeichnung stecke im Titel, er öffne soviele Fragen. „Ein Mann sitzt in einem Cafe, denkt, hat offensichtlich eine Katastrophe erlebt und wir folgen seinem Selbstgespräch.“ Der innere Monolog habe als Ausgangspunkt eine Redewendung „Gott ist kein Eisenbahner“.

Den Sinn erfahre man nicht wirklich, aber man gehe beim Nachdenken darüber mit dem Erzähler durch seine Welt. Die Figur komme zu Todesbewusstsein, jemand ringe um sein Leben. Wilke sagte, sie sehe einen Widerstandstext, Ausdruck des Verlustes aber ein Freiheitsfanal. Fragilität und gleichzeitig Souveränität habe beeindruckt. Der Preis wurde verliehen von Rene Aguiga.

Alexandru Bulucz mit Insa Wilke und  Rene Aguiga
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Alexandru Bulucz mit Insa Wilke und Rene Aguiga

Lob des Autors für die Jury

Der Autor sagte, er würde gerne etwas zur Jury sagen: „Entlang des Wettbewerbs hat man einen Beziehung zu jedem entwickelt, meine Vorurteile haben sich in Luft aufgelöst.“ Er habe eine gescheiterte akademische Laufbahn hinter sich, er wisse aber, was dazugehöre, mit Genauigkeit über Texte zu sprechen. Er habe vor Literaturwisenschaft großen Respekt. Er habe auf Sympathien von Klaus Kastberger gehofft, das sei in Erfüllung gegangen und „sehr toll“. Seine größten Vorurteile seien in Richtung Philipp Tingler gegangen, aber er sei ein sehr sehr guter Literaturkritiker, er gebe Anreize für Diskussionen in der Jury. Sie sei fair und gesittet gewesen.

BKS Bank Publikumspreis an Elias Hirschl

Der Publikumspreis ging an den Wiener Autor Elias Hirschl, der heuer mit 28 Jahren der jüngste Teilnehmer am Bewerb und zugleich Schlusslicht in der diesjährigen Lesereihenfolge war. Er wurde von Klaus Kastberger eingeladen, und las den Text „Staublunge“. Der Preis ist dotiert mit 7.000 Euro, dazu kommt das Stadtschreiberstipendium der Stadt Klagenfurt im Wert von 6.000 Euro.

Herta Stockbauer, Elias Hirschl, Klaus Kastberger
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Elias Hirschl mit Herta Stockbauer und Klaus Kastberger

BKS Bank Vorständin Herta Stockbauer vergab den Preis. Der Autor sagte, er habe die Lesungen im Garten schön gefunden. „Es war eine angenehme Lesestimmung“. Der Kern des Textes sei die Apathie der Protagonisten, die taub für alles seien und ja auch keine Partei für die Fahrradkuriere ergreifen. „Mich faszinieren Sprachwelten“.

Dank der Juryvorsitzenden

Insa Wilke hatte das Schlussort: „Jetzt ist es schon wieder vorbei“. Was bleibe von den TddL in diesem Jahr, das sei ein großes Dankeschön, vor allem an die Gastfreundschaft der Klagenfurterinnen und Klagenfurter, die ihren Raum geöffnet haben. „Auch an Karin Bernhard, die ihren tollen Leuten freie Hand lässt, kreativ zu werden, auch 3sat aus Mainz und Wien, die Standards setzen, wie man Literatur im Fernsehen inszenieren kann.“ Besonderer Dank an Katrin Kremsbrucker und Horst Ebener, die den Haufen über die Tage zusammenhalten. Die TddL sind ein Mannschaftsbewerb, dazu gehört Klaus Wachschütz mit seinem Team: „Wir lernen, was für einen Spaß es machen kann, sich immer wieder neu zu erfinden, sich aber nie aus den Augen zu verlieren.“ Der eigentliche Star sei der Justiziar, Dank auch an das Social Media Team.

Neuer Modus bei Preisermittlung

Bisher wählte die siebenköpfige Jury live auf Sendung die Gewinner der einzelnen Preise. In diesem Jahr wurde umgestellt, nicht zuletzt, um die Spannung zu erhöhen. Denn beim alten Modus wurde der Hauptpreis, der mit 25.000 Euro dotierte Ingeborg-Bachmann-Preis, notgedrungen wegen allfälliger Stichwahlen, als erstes vergeben und die nachfolgenden Preise später. Das nahm nicht nur dem Publikum etwas die Spannung. Nun ermittelte die Jury ihre Gewinner schon am Samstagabend. Die Jurorinnen und Juroren gaben Justiziar Andreas Sourij nach den Lesungen und Diskussionen ihre persönliche Wertung. Jedes Jurymitglied konnte vier, drei, zwei und einen Punkt vergeben. Der Justiziar übernimmt die Aufgabe, diese Abstimmungsergebnisse zu addieren und erstellt daraus die Preisträgerliste des Bewerbs, die bis zur öffentlichen Schlusssitzung nur ihm bekannt ist.

Gelungenes Comeback vor Ort

Die erste Neuerung, die Verlegung der Lesungen in den Garten, bewährte sich bereits. Es herrschte an allen Lesetagen reges Treiben im ORF-Park, das Publikum konnte vom Garten ins Studio wechseln, wo die Jury die Lesungen draußen verfolgte. Die Stimmung bei den 46. Tagen der deutschsprachigen Literatur war bei ihrem Vor-Ort-Comeback nach den zwei Jahren gänzlicher bzw. teilweiser pandemiebedingter Auslagerung ins Web außergewöhnlich gut.

Lesung Hannes Stein USA
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Hannes Stein

Viele Texte beschrieben heuer eine apokalyptische oder postapokalyptische Welt, viele Autorinnen und Autoren schrieben nicht in ihrer Muttersprache. Da die Einsendungen bis Februar erfolgen mussten, konnten die Texte natürlich keinen Bezug zur aktuellen Lage, zum Beispiel dem Ukraine-Krieg nehmen. Es gab nur ein kleines Statement dazu, der in den USA lebende Autor Hannes Stein trug ein Basecap mit der Aufschrift „Slava Ukraini – Glory to Ukraine“.