Lesung Fritz Krenn
ORF/Johannes Puch
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Jurydiskussion Fritz Krenn

Fritz Krenn las auf Einladung von Klaus Kastberger in Klagenfurt seinen Text „Mr. Dog von Canterbury“. Er dreht sich um einen österreichischen Autor, der es im Haus einer bekannten DDR-Schriftstellerin mit seiner Hundephobie – in Form des Staffordshire Terriers Mr. Dog – zu tun bekommt.

In der Erzählung ist ein österreichischer Autor zu Gast in der Villa einer berühmten DDR-Schriftstellerin in Berlin. Die Schriftstellerin und ihr Mann besitzen einen Staffordshire Terrier namens Mr. Dog, der sich im Salon des Hauses ans Bein des Autors heftet. Seine ausgeprägte Hundephobie erinnert den Autor an den österreichischen Schriftsteller Ferdinand Raimund, mit dem er die gleiche Angst teilte. Raimund hatte sich nach einem Hundebiss aus Angst vor der Tollwut das Leben genommen.

Insa Wilke
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Insa Wilke

Wilke: „Sorglosester Text der Runde“

Die Diskussion wurde von Insa Wilke begonnen. Sie sagte, für sie es der sorgloseste Text der Runde. Der Text sei in ihren Augen eine „virtuose Literatur-Bertriebs-Etüde“, sie habe den Eindruck, Krenn wisse, dass der Text in seinen Mitteln völlig von gestern sei. Er könne deshalb sorglos sein, weil er sehe, dass diese Mittel nach wie vor wirken. Das Unzeitgemäße an diese Text sei, dass die Sicherheit der machtvollen Welt der Literatur besteht.

TDDL 2021 Fritz Krenn Diskussion

Schwens-Harrant: subtil gemacht

Brigitte Schwens-Harrant schloss daran an, so sicher sei es mit der Sicherheit der Literatur im Text nicht, sie finde das sehr subtil gemacht. Mit der Lebendigkeit, mit der Krenn den Text gelesen habe, ließ ihr den Text noch einmal anders erscheinen – obwohl er mit sehr alten sprachlichen Mitteln arbeite. Natürlich fange man an, sich eine Typologie zurechtzulegen, wer von den Jurymitgliedern der Gerichtsmediziner sei, wer das Professorenehepaar und wer der Hund am Bein des Autors, das mache das Ganze noch einmal recht nett.

Brigitte Schwens Harrant
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Brigitte Schwens Harrant

Wilke erläuterte, es gehe um zwei Dinge, die zeitlos seien, wenn es um den Literaturbetrieb gehe – nämlich die Distinktion und das andere sei „jemand der rein will und der Höllenhund sitzt davor“.

Wiederstein fand Lesung lustig

Michael Wiederstein hatte zu Hause „unglaubliche Schwierigkeiten“ mit dem Text, die Lesung fand er noch lustiger als den Text selbst. Hier werde ein Milieu, nämlich das „Salon-und-Lesungs-Szenen-Milieu“ mit „großer Liebe der Lächerlichkeit preisgegeben“, so Wiederstein. Das sei ein Stück weit auch befreiend und schön. Wiederstein sei schon oft zu Lesungen eingeladen gewesen, bei welchen er sich dachte, sie hätten weniger mit Literatur zu tun als mit „sehen und gesehen werden“, ähnlich sei es auch im Text.

Das einzige, was für ihn „over the top“ war, sei das deutsche Ehepaar mit den schwarz-rot-goldenen Klamotten gewesen. Das könne wirklich nur ein Österreicher machen, so Wiederstein.

Kaiser fand nur den Vortrag grandios

Vea Kaiser fand die Lesung grandios, das sei aber auch das einzig Positive, das sie zu dem Text sagen könne. Sie habe wahnsinnig viele handwerkliche Mängel entdeckt, es gebe permanente Perspektivenwechsel, die sich ihr nicht erklären, es gebe auch viele Widersprüchlichkeiten im Text. Ihr Hauptproblem sei aber, dass der Höhepunkt des Textes in der Identifikation des Autors mit Ferdinand Raimund bestehe, was sie zu der Frage bringe, warum Raimunds Tod so fiktionalisiert werde.

Vea Kaiser
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Vea Kaiser

Es sei so, wie es im Text stehe, einfach nicht passiert. Die Gemeinsamkeit, die der Text vorgebe sei die lähmende Hundephobie der beiden. Raimund habe sich aber nicht wegen einer Hundephobie umgebracht, sondern wegen seiner Angst vor der Tollwut nach einer längeren psychischen Krise, so Kaiser. Sie verstehe nicht, warum man alles so verdreht darstellen müsse.

Tingler mit Kaiser einer Meinung

Philipp Tingler sei, gegen seinen Willen, einer Meinung mit Vea Kaiser. Das machte er aber nicht an historischen Details fest, für ihn habe der Text ein doppeltes Problem mit der narrativen Ökonomie. Krenns Text habe einerseits einen sehr unbeholfenen und unbalancierten Stil, das finde er überladen und konfus, so Tingler. Das einzig Interessante sei die Attacke des Hundes. Dass diese wiederholt werde, sei aber ein dramaturgisches Problem.

„Ich sehe überhaupt keinen pointierten Parabellcharakter oder satirischen Charakter dieses Textes“ so Tingler. Er stimmte Wilke zu, dass der Text von gestern sei, er finde ihn aber nicht gelungen.

„Literatur is a Hund“

„Die Literatur is a Hund, könnte man sagen“, konstatierte Klaus Kastberger unter dem Gelächter der anderen Jurymitglieder. Man könnte sagen, der Text sei sehr simpel. Es sei klar, wer da dahinterstehe, Fritz Krenn war Ende der 90er eben bei Christa Wolf eingeladen und machte diese Lesung. Das eröffne ein anderes Umfeld, es sei nicht die westliche bürgerliche Salonkultur, sondern eine feine historische Pointe.

Klaus Kastberger
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Klaus Kastberger

Christa Wolf oder nicht Christa Wolf

Ab der Villa von Christa Wolf (denn um diese würde es sich bei der Gastgeberin wohl handeln) frage man sich, was ist echt, was ist fiktional. Christa Wolf werde als einzige nicht genannt, erscheine Kastberger aber die einzige zu sein, die irgendwie Realität habe im Setting. Kastberger fragte sich, ob Christa Wolf tatsächlich einen „Mr. Dog“ hatte, was eigentlich aber „völlig wurscht“ sei. Das sei das feine Spiel, das getrieben werde. Wäre es nur die Geschichte, Fritz Krenn fahre zu Christa Wolf und lese eine Geschichte, dann wäre es laut Kastberger völlig belanglos. Gerade die Unsicherheiten, was real und fiktional sei, sei das Spannende an dem Text.

Humor und Pittoreskes

Mara Delius gefiel die „lakonische Komik“ besonders, sie habe etwas „Pittoreskes“, das man hinterfragen könne. Sie wandte sich nochmals dem Motiv des Hundes zu. Delius fand es überzeugend, wie Krenn die Ambivalenz des Hundes variiert.

Mara Delius
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Mara Delius

Insa Wilke überzeugte der Humor des Textes, weil die Art des Humors gleichzeitig bitterernst sei. „Das ist ein Humor, der mich erreicht“, so die Juryvorsitzende. Tingler fand den Schluss mit dem Gruß der Gladiatoren albern, alles was Kastberger gesagt habe, unterstütze seine Ansicht, dass der Text „durch und durch von gestern ist“. „Wie schön, dass es gestrige Texte gibt“, erwiderte Kastberger darauf.