Rede ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard

Landesdirektorin Karin Bernhard begrüßte am Eröffnungsabend als Hausherrin Autorinnen und Autoren, die Jury, Sponsoren und Gäste des Bewerbs 2021. Hier ihre Rede zum Nachlesen.

Zum Auftakt der 45. Tage der deutschsprachigen Literatur mit der Verleihung des Ingeborg Bachmann-Preises hier im ORF-Landesstudio in Klagenfurt heiße ich Sie alle herzlich willkommen. In diesem Jahr gilt mein besonderer Gruß den beiden neuen Mitgliedern in der Jury: Mara Delius, der Leiterin der Literarischen Welt bei der Zeitschrift „Die Welt“ und der Schriftstellerin Vea Kaiser; die beiden bilden mit der Feuilleton Leiterin der Wochenzeitschrift „Die Furche“, Brigitte Schwens-Harrant und mit der freien Literaturkritikerin Insa Wilke, die auch den Vorsitz der Jury inne hat, das feminine Kleeblatt der Jury.

Ergänzt wird dieses durch den Germanisten und Leiter des Grazer Literaturhauses Klaus Kastberger, den Schriftsteller, Publizisten und Kritiker Philipp Tingler und den Kritiker Michael Wiederstein. Es ist das dritte Mal in der Geschichte der Tage der deutschsprachigen Literatur, dass mehr Frauen als Männer die Jury bilden. Und Sie mögen es mir bitte nicht verdenken, dass ich mich in diesem Zusammenhang an die Worte von Xenia Hausner erinnere, die sie zur Eröffnung ihrer Ausstellung TRUE LIES in der Wiener Albertina gesagt hat: „Frauen sind vielschichtiger, komplizierter, müssen mehr können, sie sind irgendwie kunstfähiger – ich finde, sie sind die interessanteren Erdenbewohner.“

Schließlich verdanken wir ja alle auch diese Tage hier in Klagenfurt einer „vielschichtig kunstfähigen“ Frau. Max Frisch berichtet in seinem Roman „Montauk“ („Mantok“) über seine Wohnungssuche gemeinsam mit Ingeborg Bachmann in Rom. Ein römischer Makler, der die Wohnung einer Baronesse in der Via de Notaris 1F vermietet, gibt den beiden zu verstehen, die Baronessa könnte die Wohnung vielleicht auch einem amerikanischen Diplomaten vermieten. „Dottore“, herrscht ihn die Bachmann wie eine gekränkte, nicht erkannte Königstochter an, „senta, siamo scrittori!“ – „Hören Sie, wir sind Schriftsteller und wir bekommen die Wohnung mit Terrasse und Blick über Rom.“ Und so war es dann auch! („Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

Beim Blick auf starke Frauen muss ich heute aber auch an unsere Bachmannpreisträgerin von 2020 Helga Schubert und an die ewig junge Friederike Mayröcker denken, die die deutschsprachige Literaturszene fast ein Dreivierteljahrhundert bereichert hat. Die beiden Literatinnen waren, wie in einem aktuellen Zeitungsbericht zu lesen war, befreundet. Am 4. Juni dieses Jahres ist Mayröcker mit 96 Jahren in Wien gestorben! Mit ihrer Entscheidung zur Literatur war für sie zugleich eine radikale Hinwendung zum Schreiben – als „süße Drangsal“ – verbunden. In ihrer „Schreibkammer“ herrschte „absolute Einsamkeit“! Ohne eine solche geradezu klösterliche Zurückgezogenheit ist Literatur nicht vorstellbar! Sie verlangt einem alles ab!

Nur so kann sie der Welt auch alles geben!

„Schreiben ist das halbe Leben. Lesen ist das ganze Leben“, hat Friederike Mayröcker einmal gesagt! In diesem Sinne wird auch in diesem Jahr beim Bachmannwettbewerb hier in Klagenfurt „das ganze Leben“ verhandelt! Dazu wünsche ich uns allen die Zeit, die wir brauchen und den Tiefgang, der dafür nötig ist!