Björn Treber TEXT

Björn Treber las den Text „Weintrieb“ auf Einladung von Stefan Gmünder. Sie finden hier einen Auszug des Textes und den gesamten Text zum Nachlesen im .pdf-Format.

Während scharfes Sonnenlicht auf die Grabsteine fällt, schlendern wir den mit Kieseln bestreuten Weg entlang, nähern uns wie durch ein sonniges Vakuum der Gedenkhalle, wo der Alte aufgebahrt liegen soll. Ich schaue noch einmal kurz zurück zum Metallgitter des Friedhofstors, sehe durch es hindurch die in der Vormittagshelle vorbeiblitzenden Wagen. Die vielen Gräber und rundherum die vielen Blumen köcheln im Gold des Juni. Annabichler Vögel: Sie singen nur für ihn. Mehrere kleine Gruppen schwarzbekleideter Menschen verteilen sich über die Weite des annabichler Friedhofs. Kurz höre ich ein Rauschen in den hellen Gebüschen hinter ein paar Grabsteinen aus dunklem Marmor. Dann höre ich keinen Ton, höre nur die rasselnden Schritte auf dem Kies. Die helle Endlosigkeit des Sommers scheint gerade erst begonnen zu haben.

Ein Sarg ist bereits ausgesucht, die Leichenbestatter haben ihn gebracht, er ist hineingebettet worden. Kränze und Blumengebinde sind eingetroffen: alles zusammen Teil seines letzten Heimgangs. Vier schwarz bekleidete, frisch rasierte Männer tragen Großvater durch die offene Tür. Verwandte, Freunde und Bekannte haben sich bereits eingefunden, um den Verstorbenen zu verabschieden.

Nun schaue ich in die befremdeten Gesichter angesichts eines hellbraunen fein gezimmerten Sarges, der auf einer erhöhten Plattform steht. Eine Schar aus Trauergästen bildet einen Halbkreis um den Katafalk herum. Der Sarg darauf bleibt hängen im Blick, als wäre da ein Schattenriss. Wer denkt schon gern an den Tod, oder steigt belustigt hinein in einen vorgestellten Sarg.

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