Text Dieter Zwicky - CH

Dieter Zwicky liest auf Einladung von Juri Steiner den Text „Los Alamos ist winzig“. Sie finden hier den ersten Absatz des Textes, der weitere Text ist als .pdf abrufbar.

Ich rufe nach Jacqueline, noch während ich durch die Türe trete. Wir teilen uns die geräumige Wohnung. Neuerdings vergesse ich, ob ich nach Jacqueline soeben wirklich gerufen habe. Ich habe den Krebs besiegt. Ich gehe stracks zum Kühlschrank und öffne ihn. Sodann trete ich maximal anderthalb Schritte zurück und wende mich. Ich öffne den Mund. Jetzt rufe ich herzhaft und laut nach Jacqueline. Unsere Wohnung ist hell. Jacqueline arbeitet beim Wasseramt. Dieses verfügt über nahezu zwanzig Wohnungen zuhanden der Mitarbeiter; eine Art Sozialliebesdienst. Wenig fehlte damals, und ich hätte anstelle von Jacqueline die Arbeit beim Wasseramt aufgenommen. Als Ingenieur verstand ich etwas von Rohren, vom
Rohrbau. Unerklärbar, mein nie nachlassendes Augenmerk auf jene bauchigen Rundwinkel aus Terrakotta, durch welche Flüssigkeiten wie von Sinnen schiessen und die Richtung wechseln! Weil ich Krebs hatte, war es angebracht, Jacqueline den Vortritt zu lassen. Tritt du die Stelle an, flüsterte ich. Ich nieste. Sie lächelte mich an. Sodann besiegte ich den Krebs, behielt dieses selige Wissen jedoch für mich, vorderhand. Jacqueline trug ihr Haar blond. Mir schien, sie wollte jung sein, wollte ewig jung bleiben. Sie puderte sich Wangen, Nasenwurzel und Schläfen, spülte sich mit Minzekonzentrat mehrmals täglich die Mundhöhle. Ich hielt mit dem seligen Wissen weiterhin zurück. Abends gingen wir in Bars, häufig.

Text als .pdf

PDF (100.3 kB)