Überwiegend Lob der Jury für John Wray

Der Text von John Wray, „Madrigal“ wurde auf Einladung von Sandra Kegel in Klagenfurt präsentiert. Juryvorsitzender Hubert Winkels zeigte sich „schwer beeindruckt“, Feßmann sprach von großem Handwerk. Gelobt wurde auch der Vortrag.

John Wrays „Madrigal“ ist ein offenbar leserfreundlicher Text, dessen vermeintlich einfache Geschichte und klare Sprache jedoch alsbald in eine Verschmelzung verschiedener ontologischer Ebenen münden. Die Hauptpersonen Maddy und Teddy sind Geschwister mit Kommunikationsproblemen, obwohl die Verwendung von Sprache ihre Existenzgrundlage darstellt – beide sind nämlich Schriftsteller.

John Wray

ORF/Johannes Puch

Maddys ungeschriebener Roman über „Madrigal“ bietet ein Paralleluniversum, das autoreferentiell und auf andere Texte Bezug nehmend schließlich wieder mit der Ausgangssituation zusammengeführt wird und so jeglichen Realitätssinn hinterfragt.

Winkels: Herrlich paranoide Phantasie

Hubert Winkels zeigte sich begeistert von Wrays Text. Er machte darauf aufmerksam, dass es sich um Autopoiesis handele, Geschichten entwickeln sich nahtlos eine aus der anderen. Eine Parallelwelt sei unserer sehr ähnlich, in der „Madrigal“ aufgrund ihres Berufs schon nicht glücklich sein könne. Das Schreiben fungiere als Fluchtmaschine. Als Leser werde man gefordert, er selbst erkannte in dem Text Anspielungen auf Hitler und Trump. Es sei „eine herrlich paranoide Phantasie“. Es sei eine einzige von Liebe getragene Therapiesituation, er fand den Text gut.

Kastberger Kegel Gmünder

ORF/Johannes Puch

„Beschreibungen beeindruckend“

Stefan Gmünder wollte „abgeschmettertes hermeneutisches Gewichteheben“ verhindern, stellte aber klar, er fände die Beschreibungen beeindruckend, zum Teil sei es für ihn schon „beängstigend“ gewesen. Die Lockerheit sei aber nicht gegen den Text zu wenden. Winkels, entgegen seinem früheren Lobgesang, meinte, gerade das sei vielleicht einen kleinen Kritikpunkt wert.

Lob für Vortrag und Text

Klaus Kastberger lobte die Professionalität und den Vortrag des Texts, „das war alles sehr, sehr brillant“. Er fand die Geschichte sehr stark. Wray wisse, was „wir hören wollen“. Das Faszinierende sei, dass alle Geschichten beginnen, aber keine abgeschlossen werde, dadurch werde Langeweile verhindert. Kurz auf Winkels Bezug nehmend, meinte er, er habe Trump nicht herausgelesen.

Keller: Text wie eine Babuschka-Puppe

Hildegard Keller konterte „natürlich verbirgt sich Trump in ‚Dem-der-nicht-genannt-werden-darf‘“. Gut verdauliche Brocken von Wissen würden die Amerikaner laut Keller gut in Literatur einbinden können. Die Struktur sei eine Babuschka-Struktur, die endlos sein könnte. „Madrigal“, darauf weise auch die korrekte Aussprache des Titels hin, sei „mad“, verrückt. In der Wiederholung sei auch eine musikalische Struktur, dennoch sei an dem Text „etwas zu beliebig“, er sei „irgendwie zu messy“.

„Toll gemacht und gut erzählt“

Sandra Kegel freute sich über Winkels und Kastbergers Urteil. Vieles, was Keller angesprochen habe, fand sie gut. Es sei gut, dass der Text „messy“ sei. Vermittlung der Kommunikation sei nicht möglich, das sei zentral für den Text, in dem man eine Poetik der Kommunikationsprobleme finden könne. Sie fand es sei eine interessante Kartographie des Amerikanischen. Projektionen können reingelesen werden, müssen aber nicht. „Toll gemacht und gut erzählt.“

„Großes Handwerk“

Meike Feßmann urteilte, „das ist großes Handwerk“. Der Text biete Dialoge, Metaphern, alles, was die amerikanische Literatur zu bieten habe. Gleichzeitig bleibe ihrer Meinung nach ein kleiner Zweifel, ob da nicht jemand zu viel auf einmal zeigen wollte. Er würde nicht ins „Klagenfurt-Format“ passen. „Protzgesten und Demut“ seien kombiniert worden, aber irgendetwas stimme hier nicht.

Sandra Kegel

ORF/Johannes Puch

Michael Wiedersteiner zeigte sich ebenso zwiegespalten. „Zu viel Simulation und zu wenig Geschichte“ lautete sein Urteil, ihn störte am Ende die Überfrachtung. Die Verbindungen seien zu wenig zwingend. „Es ist super gemacht, aber mir passt’s nicht.“

„Zwei verschiedene Wellen im Text“

Winkels wollte die Einwände, es gebe zu viel Kontingenz und zu viel ‚Messyhaftes‘, relativieren. Das seien zwei verschiedene Wellen, die in dem Text arbeiten, aber gerade das sei das Schöne. Der Text spiegele die Situation wider, die beim Googeln entstehe. Man googele etwas und dringe immer tiefer in etwas ein, das man zunächst gar nicht gesucht habe. Das Format sei „ziemlich richtig“, wenn der Text länger wäre, „hätten wir ein Problem mit der Beliebigkeit“.

Kastberger nahm auf das von Feßmann erwähnte „Klagenfurt-Format“ Bezug und meinte, er würde hoffen, so etwas existiere nicht. Es sei gut, dass der Text hier sei. Feßmann versuchte sich zu rechtfertigen und fasste zusammen, es sei einfach zu viel in diesem Text, der dennoch beeindruckend sei.

„Auf Publikum zugeschnitten“

Wiedersteiner fand Polyphonie am Werk, trotzdem sei der Text überfrachtet, „es läuft richtig zusammen“. Winkels hingegen meinte, der Text sei qualitativ hochwertig und brauche Klagenfurt, er brauche Leute, die bereit seien zu überlegen, was da eigentlich passiere.

Gmünder lenkte die Diskussion noch zur Sprache, die relativ konventionell sei. Winkels dagegen fand die Sprache sehr elaboriert, da es auch Registerwechsel gebe, diese beherrsche Wray perfekt. Die Dialoge würden hereinschneien und einen staunen lassen. Dem stimmte auch Kegel zu und benannte die verschiedenen Sprachebenen, „an diesem Text ist ja alles gemacht“.

Kastberger wiederholte noch einmal, Wray hätte genau gewusst, wem er seinen Text präsentieren würde. Er hätte den Text auf das Publikum zugeschnitten, ‚Catering to the Audience‘ sozusagen.

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