Text Peter Truschner (A)

Peter Truschner liest auf Einladung von Stefan Gmünder. Sein Text trägt den Titel „RTL-Reptil“. Sie finden hier den ersten Absatz des Textes, der weitere Text ist als .pdf abrufbar.

Sonnenlicht fleckt das kahle Geäst der Bäume und die vom Wind bearbeiteten Oberflächen der Hausmauern, Mülltonnen und Motorhauben. Es ist ein flüchtiger Kontakt, der vorüber ist, als sich die Wolkendecke wieder schließt. Für kurze Zeit setzt er sich im Gedächtnis fest als vage Hoffnung auf eine sommerliche Leichtigkeit, Ungezwungenheit. Er steht am Fenster, die Zentralheizung reicht ihm bis zu den Oberschenkeln, eine Wärme macht sich breit, die seine Konzentration schwinden lässt und ihm Lass es sein! ins Ohr flüstert. Die Versuchung ist da, aber er gibt ihr nicht nach. Das ist nur der innere Schweinehund, der sich hintenrum anschleicht, ihn bei den Eiern packt und so lange zudrückt, bis er sich auf den Rücken legt und alle Viere von sich streckt. Passt eigentlich ganz gut auf ihn. Und nicht nur auf ihn, sondern auf viele, die er kennt, das Unterwürfige und zugleich Kläffende, Bissige, ein unfertiger Zustand, der nicht abzusehen war in jenem Moment, als das kalte OP-Licht sein vom Fruchtwasser glänzendes Gesicht traf. Es widert ihn an, solche Gedanken zu haben. Er wischt sie mit einer Bewegung seiner rechten Hand weg. Sie kriechen wie Ratten aus einem Loch hervor, erwischen ihn kalt. Er kennt ihren Ursprung nicht, will ihn auch nicht kennen, ein defektes Gen vielleicht, ein Zahnrad, das von Beginn an fehlerhaft arbeitete. Das wäre ihm das Angenehmste, so eine anatomische Fehlkonstruktion, für die er dann nichts kann, er hatte ja keine Wahl, als er zur Welt kam, oder?

Der ungekürzte Text

IBP 2015 Text Peter Truschner
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